„Ich trete mein Millionenerbe an dich ab – einzige Bedingung, du bezahlst bis an mein Lebensende alle Bücher, die ich haben will.“ Wenn der Bruder von Aby Warburg geahnt hätte, worauf er sich damit einlassen wird, hätte er dem niemals zugestimmt.
Das Buch der Woche verknüpft einiges, das mich als Person geprägt hat. Kunst- bzw. Kulturgeschichte ist ein Thema, bei dem ich eine hohe emotionale Verbundenheit verspüre. Das merke ich, wenn ich ins Museum gehe, mich mit anderen aus dem Feld unterhalte, Bücher, Berichte oder Kataloge lese und Dokus schaue. Das ist irgendwie einfach alles interessant und ich liebe es. Nachdem ich ja der Kunst den Rücken zugewandt hatte, gab es einige Jahre in denen ich mich nicht viel damit auseinander gesetzt habe. Das hat sich inzwischen aber wieder komplett zurück verändert. Inzwischen schwelge ich wieder in Kunst und Archäologie und den damit einhergehenden Geschichte.
Zweite Schnittstelle zu mir: Das Buch wurde von einer Frau geschrieben, die in meiner akademischen Laufbahn eine besondere Stellung inne hat. Karen Michels war eine zeitlang während meines Studiums Vertretungsprofessorin bevor die Stelle neu besetzt wurde. Sie hatte unglaublich ansteckende erfrischende Begeisterung für Kunst und konnte alles in gute, lebendige Sprache packen Natürlich habe ich annähernd alles bei ihr belegt. Was mich besonders umgehauen hat: Sie war meine erste weibliche Dozentin in Kunstgeschichte und das obwohl der Studentinnen-Anteil bei gefühlten 90% lag. Sie hat zu dieser Zeit bereits immer wieder über Aby Warburg erzählt und in mir überhaupt das Interesse an diesem umtriebigen Geist geweckt.
Zum Buch: Es ist eine Biographie und eigentlich bin ich kein Fan von diesem Genre. Aber Aby Warburg hat eine herausragende Stellung für die Kulturgeschichte und Karen Michels eine erfreulich unakademische und keineswegs gestelzte Sprache, so dass ich dem ganzen eine Chance gegeben habe. Ich wurde nicht enttäuscht. Man kann es tatsächlich so weg lesen. Und ich will gar nicht so viel aus Warburgs Biographie spoilern – jüdischer Bankierssohn, will nicht Banker werden aber auch nicht Rabbiner und studiert stattdessen Kunstgeschichte und Archäologie. Und: Er hat Ideen und sowohl die Tatkraft als auch die finaziellen Mittel sie umzusetzen. Absolut spannend,
Zwei Ideen von Aby Warburg sind für mich hervorhebenswert:
Mnemosyne
Der vollständige Titel lautet Mnemosyne, Bilderreihe zur Untersuchung der Funktion vorgeprägter antiker Ausdruckswerte bei der Darstellung bewegten Lebens in der Kunst der europäischen Renaissance. Yeah. Da würde ich meinen Kunden sofort raten, das umzuformulieren, weil das nicht wirklich verständlich ist. Eigentlich ist es ein Bildatlas, der zeigt welche antiken Einflüsse die europäische Kultur und Kunst weiter getragen hat und schließlich zur Renaissance führten, die ja eine Wiederbelebung der Kunst durch Orientierung an der Antike war. Das ist für Interessierte sehr viel spannender und lehrreicher als, der Titel oder meine holprigen Beschreibungen vermuten lassen. 2020 ist der Bildatlas, der am Ende ca. 40 Kartons mit ~2000 Abbildungen umfasste, erstmals ausgestellt worden. Hier eine Verlinkung zum Haus der Kulturen der Welt
Kulturgeschichtliche Bibliothek
Heute das Warburg Institute ist eine der wichtigsten Kultur- und Kunsthistorischen Bibliotheken gewesen und umfasste bei Warburgs Tod 1929 ca. 60.000 Bände. Aufgrund des Dritten Reiches wurde sie 1933 nach London gebracht, wo sie später dann in das Warburg Institute umbenannt wurde und mit der University of London verbunden wurde.
Das Buch, das ich diese Woche empfehlen will, ist leider nur noch antiquarisch zu bekommen, aber da doch im Moment (02/2022) sehr gut und günstig.
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