In die Rolle des Kindes werden wir hineingeboren. Wir sind Töchter und Söhne von Anfang an. Die ersten Bindungspersonen sind die prägendsten und wichtigsten Menschen für eine lange Zeit unseres Lebens. Dabei wirken sich Lebenserfahrungen unserer Eltern auch auf uns aus, auch wenn wir diese selbst nicht miterlebt haben. Christiane Wünsche zeichnet in “Aber Töchter sind wir für immer” ein zartes Soziogramm einer Familie. Im Wechsel zwischen den verschiedenen Sichtweisen und einer allwissenden Erzählperspektive wird das feine Netz der Familiäre und soziale Dynamiken sichtbar.
Dabei wird nicht nur deutlich, wie sich die Lebenswirklichkeit der Eltern auf die Töchter abfärbt. Die Geschichte zeigt welche persönlichen Entscheidungen sich auf das Familienleben auswirken und das Miteinander bestimmten. Auch das Verhältnis der Schwestern wird betrachtet. Die drei Schwestern Johanna, Heike und Britta könnten unterschiedlicher nicht sein. Für ein gemeinsames Familienwochenende kehren sie in ihr Elternhaus zurück und feiern mit ihren Eltern den Geburtstag ihres Vaters. Dabei hat die Jüngste ein Geschenk mit großer Bedeutung im Gepäck.
Im Buch geht es um eine Familiengeschichte bei der die Protagonistin fehlt und doch mitten im Raum steht. Hermine hat vor vielen Jahren Suizid begangen. Sie hat nicht nur einen altmodischeren Namen als ihre Schwestern, sondern bis zu ihrem Tod mit ihrer psychischen Erkrankung zu kämpfen.
“Kaum war ich im Becken, wusste ich nicht mehr, wo mein Körper aufhört und wo das Wasser anfängt. Ich hatte das Gefühl, mich aufzulösen… selber zu Wasser zu werden. Vielleicht hätte ich Ohrenstöpsel wie Heike benutzen sollen, dann wären zumindest die Geräusche unter Wasser nicht durch mich durchgedrungen.” (Aber Töchter sind wir für immer, S. 123)
Die Schwestern haben sehr unterschiedliche Lösungsstrategien und auch ihre Charaktere sind unterschiedlich. So leben sie sich auseinander und finden doch wieder zusammen.
Die Stimmung des Buches gibt mir einen starken “This is us”-Vibe. Das Verwobene, die Verbundenheit der individuellen Entscheidungen. Der Blick aufs Große und Kleine. Die Mechanismen einer Familie, all das finde ich in Buch und Serie. Die Themensetzung und Verarbeitung sind verschieden. Das mag auch daran liegen, dass eines eine amerikanische TV-Serie und das andere deutsche Belletristik ist.
„Aber Töchter sind wir für immer“ von Christiane Wünsche ist bei S. Fischer Verlage erschienen.
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