Ich kaufe Wein, wenn überhaupt, weil ich das Etikett schön finde oder er einen lustigen bzw. coolen Namen hat. Und bei schönem Produktdesign werde ich sehr viel schneller Konsumopfer als bei belanglos entworfenen Dingen. Warum also sollte es bei Büchern anders sein…

Ein spannend oder unterhaltsam klingender Titel oder eine schöne Coverillustration und schon bin ich im Bann des Buches. Und genau das passierte mir vor einigen Wochen im schlechtest möglichen Moment. Ich war auf dem Weg zu einem Job, schon etwas spät dran und musste dafür durch eine fremde Fußgängerzone in einer anderen Stadt. Direkt um die Ecke der Veranstaltungslocation gab es eine Buchhandlung mit schön beleuchtetem Schaufenster, die bereits geschlossen hatte. Langsam vorbei gehend fiel mir ein Buch ins Auge.

Erinnert Ihr Euch noch als ich Ariadnes Faden vorgestellt habe, so von wegen das beste aus allen Welten? Genau so war es hier.

Das erste was mich ansprang war der Titel: Heute dreimal ins Polarmeer gefallen. Oh wie interessant, Meer finde ich per se interessant. Das Polarmeer verbinde ich mit abenteuerlichen Expeditionen und klirrend kalten Geschichten…

Der zweite Blick wurde auf die Coverillustration gelenkt, die sich aus einer wunderschönen Handschrift und der Zeichnung eines Schiffes und zahlreichen Walfisch-Fluken und -Finnen zusammensetzte. Ich steh ja auf Handschrift, Lettering und Co genauso wie auf alle Meereslebewesen. Zack der Magnetismus wurde stärker.

Und dann kam der Autor: Arthur Conan Doyle. Wie bitte? Der Schöpfer meines liebsten deduktiv genialem Detektivs ist ins Polarmeer gefallen und das dreimal an einem Tag??? Wie das??? Der Untertitel gibt Aufklärung: Tagebuch einer arktischen Reise.

Wenn soviele Dinge, die man interessant findet zusammenkommen, muss man doch dieses Buch kaufen… Durch meinen Kopf schoss ein Spruch, den ich vor kurzem geschrieben hatte.

Bevor ich etwas vergesse, denke ich immer: Das muss ich mir merken.

Ich war unterwegs – mit einem IPad im Koffer aber kein Zettel weit und breit, das Handy hatte einen leeren Akku und konnte auch nicht dank Kamera helfen das begehrte Werk zu erinnern. Was tun? Ich bin zur Location geflitzt während ich die ganze Zeit vor mich hin sagte: Heute dreimal ins Polarmeer gefallen, heute dreimal ins Polarmeer gefallen, heute dreimal… Dort angekommen habe ich sofort an der Rezeption nach einem Zettel gefragt und das Buch notiert. Zu Hause habe ich es dann sofort gekauft und tatsächlich auch sofort angefangen es zu lesen.

Es beginnt mit einer Zusammenfassung und Einordnung des Geschehens und den Hintergründen der Fahrt. Das ist sehr spannend und hilft zu verstehen warum sich der erst 21 jährige Medizinstudent Doyle als Schiffsarzt auf einem Walfänger verdingt und 6 Monate ins Abenteuer aufbricht. Der Hauptteil des Buches besteht dann aus dem eigentlichen Tagebuch, das kurz vor dem Start der Reise beginnt und Tag für Tag das Geschehen beleuchtet.

Nicht immer sind es spannende Geschichten, die erlebt werden, nicht selten wird die tägliche Routine beschrieben, aber ich fand es trotzdem sehr fesselnd zu lesen und man gerät schnell so sehr ins Buch, dass man das Gefühl hat, neben dem Autor in der Kabine zu sitzen und ihm beim Schreiben in der leicht schaukelnden Umgebung über die Schulter zu blicken. Ergänzt wird das ganze durch Fußnoten und es gibt (ich habe die Taschenbuch-Ausgabe aus dem btb Verlag) einen Mittelteil, der Ausschnitte aus dem handgeschriebenen Tagebuch zeigt, das nicht nur in einer gestochen scharfen Handschrift verfasst wurde, sondern auch noch mit zahlreichen Zeichnungen illustriert wurde.

Natürlich ist das Leben auf dem Schiff hart und Töten ist das Geschäft, denn es gibt für jeden einen Grundlohn, aber eigentlich interessant sind die Prämien, die pro Liter Walöl oder getöteter Robbe gezahlt werden. Am Ende wird dann abgerechnet und die Heuer dementsprechend gezahlt. Also war es eigentlich im Sinne Doyles möglichst viele Tiere zu töten, aber immer wieder meldet sich sein Gewissen, dass diese Tätigkeit deutlich in Frage stellt und was mir einen meiner Lieblingsautoren nochmal in einem anderen Licht zeigt und nicht zu seinem Nachteil gereicht. Wer Reiseberichte schätzt, erst recht, wenn sie aus vergangenen Zeiten stammen und sich um diese Welt zwischen Eis, Wasser, Wetter und dem Kampf ums Überleben dreht, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen. Es gibt eine Taschenbuchausgabe für knapp 15 Euro und eine gebundene, die im mare-Verlag erschienen ist für 32 Euro.