2000 Frauen* wurden gefragt, was es bedeutet, eine Frau zu sein. 50 Interviews bzw. Teile davon wurden in 105 Minuten zusammengeschnitten und hinterlassen mich mit viel zum Grübeln und wenig zu sagen. Ich versuche trotzdem, euch ein bisschen mehr zu diesem wichtigen Film zu erzählen.
Erstmal ein Paar Eckdaten: Regisseur*innen Anastasia Mikova und Yann Arthus-Bertrand bereisten die Welt und portraitierten verschiedenste Frauen*. Die meisten Eindrücke stammen von Studio-Aufnahmen der Interviews, mit voller Aufmerksamkeit auf Gesicher, Gefühle und Worte, deren Übersetzung vor dem schwarzen Hintergrund eingeblendet werden. Man kommt diesen Frauen* gerade dadurch besonders nah, das man die Originalstimmen mit all ihren Emotionen hört. Schnittbilder zeigen die Frauen* in ihrem Alltag, mit Mitmenschen und Familien, zuhause, oder nackt im Studio – diese Bilder kommen ganz ohne Worte aus. Zur Sprache kommt der Alltag, Beruf, Liebe, Familie, Stolz, Sexualität, Menstruation, Muttersein, Abtreibung, (Recht auf) Bildung, Beschneidung, Zwangsheirat, Vergewaltigung, Gewalt. All diese Frauen* auf der ganzen Welt und unterschiedlichsten Alters erleben sehr unterschiedliche Dinge, sie haben sehr unterschiedliche Standpunkte und Einstellungen. Vielen geschieht Unrecht, viele teilen Wunderschönes und Bewegendes. Gemeinsam ist ihnen eine innere Stärke, und irgendwie bleibt mir als Zuschauerin trotz allem ein Gefühl der Hoffnung.
Rückblickend etwas eigenartig fand ich die Starteinstellung, bei der man eine nackte Frau beim Schwimmen mit einem Wal im Meer sah. Ganz am Ende wurde eine Art Tanzaufführung gezeigt… sicherlich ist es wichtig, die bewegenden Interviews in einen Rahmen zu packen, allerdings hätte mich doch ein wenig der Kontext zur Entstehung des Films interessiert. So lese ich erst bei der Recherche im Nachhinein, dass Regisseur Yann Arthus-Bertrand 5 Jahre zuvor (wohl auch schon gemeinsam mit Anastasia Mikova) einen Film Namens „Human“ drehte – nach einem ganz ähnlichen Konzept. Anscheinend sind ihnen bei dem Dreh schon viele der weiblichen Geschichten begegnet und so wohl die Idee für den Nachfolger entstanden. Ich kopiere mal einen Absatz aus einem Gespräch mit Filmemacherin Anastasia Mikova:
„Während wir «Human» drehten, überraschte uns der Unterschied zwischen den Interviews mit Männern und Frauen. Wenn wir das Projekt präsentierten, stellten uns die Männer Fragen, die Frauen sassen daneben, hörten zu und sahen uns misstrauisch an. Sobald sie aber vor der Kamera sassen, war es so, als ob sie ihr ganzes Leben auf diesen Moment gewartet hätten. Jetzt hatten sie Gelegenheit: Hier sind wir! Wir existieren! Eines Tages kam Yann zu mir: Ich glaube, wir sollten uns auf Frauen konzentrieren. Danach wurde es auch mir klar. Wenn wir sehen, was mit den Frauen auf der ganzen Welt geschieht, und wenn wir die Bewegungen beobachten, bei denen Frauen die Führung übernehmen, überrascht es uns wenig, dass wir das schon vor fünf Jahren geahnt haben.“ (hier geht’s zum ganzen Artikel)
Erstmals vorgeführt wurde der Film 2019 bei den Filmfestspielen in Venedig. Aufgrund der Kinoschließungen über Corona kam der Film wohl nie richtig in die Kinos. Ich möchte den Film umbedingt empfehlen – er ist nicht immer leichte Kost, aber wie ganz selten vermittelt er, wie es um die (weibliche) Welt steht. Das kann so echt und unverfälscht einfach kein Buch, kein Artikel, und kein Nachrichtenformat transportieren.
Mit Frauen* meine ich alle Menschen, die sich als Frau verstehen.
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