Oder: Wer hat eigentlich festgelegt, dass man faul ist wenn man spät aufsteht, aber nicht, wenn man früh ins Bett geht?
Klaus Jürgen Haller hat das um 12:05 Uhr beginnende WDR-2-Mittagsmagazin anmoderiert mit dem legendären und markigen Spruch „Guten Tag, meine Damen und Herren, guten Morgen, liebe Studenten!“. Das ist wirklich witzig, zumal trocken rübergebracht und nimmt das Klischee des Studentenlebens auf die Schippe. Zu der Zeit als Haller moderierte, war das Studentenleben noch ganz anders, als es die meisten Studenten wohl heute beschreiben würden. Nicht zuletzt durch die Bologna-Reform und die zunehmende Orientierung an der wirtschaftlichen Nützlichkeit dürfte das Studieren heute wesentlich straffer durchorganisiert sein als damals, wo man noch Muße hatte, lange aufzubleiben und dafür später aufzustehen.
Auch wenn der Witz gut ist und sicher nicht böse gemeint war, entlarvt er doch die Stellung, die der Spätaufsteher in der deutschen Gesellschaft innehat. Spätaufsteher werden oft geringgeschätzt und als faul abgestempelt. Im Gegensatz dazu gilt der Frühaufsteher als vorbildlich, produktiv und fleißig, alles Tugenden, die in Deutschland geschätzt werden.
Spätestens mit der Erfindung des elektrischen Lichts geht diese Rechnung eigentlich nicht mehr unbedingt auf. Man kann auch unabhängig vom Tageslicht produktiv arbeiten. Und nur weil jemand früh aufsteht, schläft dieser ja nicht weniger, oder ist deswegen unbedingt ein besserer produktiverer Mensch. Fleißig ist man ja nur, wenn man fleißig ist und nicht, weil man zum Beispiel um 5:30 Uhr aufgestanden ist. Tatsächlich ist es so, dass die allermeisten Menschen von einem späteren Aufstehen profitieren würden, da sie dann vom Biorhythmus her wacher und weniger fehleranfällig wären.
Ob man lieber früh oder spät aufsteht, hängt davon ab, welcher Chronotyp man ist – es gibt da die Lerchen (Frühaufsteher) und die Eulen (Spätaufsteher). Dabei ist das nicht einfach nur eine persönliche Vorliebe, sondern man hat dazu eine genetische Prädisposition. Und die Eulen sollen ganz knapp in der Mehrheit sein, nämlich so um die 51 % der Bevölkerung. In der Steinzeit hatte es für einen Stamm einen evolutionären Vorteil, wenn einige Stammesmitglieder nachts wach blieben und dafür sorgten, dass das Lagerfeuer brannte und wilde Tiere ferngehalten wurden.
Eine Internet-Recherche bringt sofort zahlreiche Suchergebnisse über wissenschaftliche Erkenntnisse, dass der frühe Schulbeginn Schülern sogar schadet! (Siehe zum Beispiel hier bei quarks.de, hier gibt es auch eine interessante Liste mit Primärquellen.) Schüler früher ins Bett zu schicken helfe nicht, weil diese gar nicht eher einschlafen könnten und morgens mit einem Schlafdefizit aufwachten. Forscher warnen, dies mache dick, dumm und krank. Chronischer Schlafentzug führe sogar dazu, dass sich Lerninhalte nicht gut im Langzeitgedächtnis einnisten könnten. Ein späterer Schulbeginn trägt sogar dazu bei, dass die Unfälle statistisch signifikant zurückgehen!
Die Vorteile liegen also klar auf der Hand und sind belegbar. Warum werden hier keine Änderungen eingeführt? Es scheint fast, als ob bei den Schulen auf der politischen Ebene andere Prioritäten gesetzt werden als die Bildung der Schülerinnen und Schüler.
Es ist ja kein Problem eine Lerche zu sein und es geht hier nicht darum, Lerchen zu bashen. Ich würde mir allerdings Eulen gegenüber mehr Toleranz wünschen. Wenn jemand nach seinen Neigungen und mit besserem Wohlbefinden leben, lernen und arbeiten kann, egal ob Eule oder Lerche, dann profitieren davon doch letztlich alle.
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