Vor einiger Zeit war ich als Gast bei einer Veranstaltung geladen, die jungen Menschen das Thema Selbständigkeit und Gründung näher bringen sollte. Es war eine komplette Projektwoche, organisiert von der HAWK in der es um Ideation, Design Thinking und vielerlei mehr ging. Das Ziel war eigene Ideen für eine Selbständigkeit auszuarbeiten und sich mit anderen darüber auszutauschen. Ich war als Beispiel für eine erfolgreiche Unternehmerin im Bereich Kultur- und Kreativwirtschaft dazu gebeten worden und erzählte ein wenig über meinen Werdegang und über mein Leben und meine Arbeit als Selbständige. Eine Frage aus dem Publikum war: Was machst du, wenn du eine Kreativitätsblockade hast? Ich antwortete wahrheitsgemäß: „Ich zocke.“
Die Moderatorin der Veranstaltung neben mir ist vor Überraschung und Lachen fast vom Stuhl gefallen. Das passte wohl nicht in ihr Bild von der mittelalten Grafikerin, die in einem Atelier voller Papier und Wasserfarben begleitet von sanfter Klaviermusik den Pinsel kreisen lässt. Das ich tatsächlich laut den Sohn von Hades anfeuere endlich diese Skelettkrieger fertig zu machen unterlegt von Metal-Klängen… nun ja… Die Abiturienten und Studenten wollten nur wissen, was ich so spiele und erzählten, dass bei ihnen Erntespiele hoch im Kurs stehen. Die Tatsache, dass ich spiele, war für sie überhaupt kein Thema.
Ungefähr zwei Wochen später hatte ich ein Gespräch mit Alexandra Schreiber, die unter anderem das Interkulturelle Lernlabor der Uni Göttingen leitet. Mit Alexandra zu sprechen ist immer begleitet von zahllosen Zetteln, die neue Bücher, Menschen oder Methoden sammeln. Neben vielen anderen Themen sprachen wir auch über Lernen und Spielen und ein Thema mit dem sie sich sehr beschäftigt ist „Intercultural Learning and Serious Games“. Unter anderem verwies sie auf das Institut für Game Design der Uni Uppsala und da auf die Transformative Play Initiative. Außerdem sprachen wir auch noch über Games for Good und ich erinnerte mich, dass ich 2016 sehr fasziniert auf der re:publica bei einer Podiumsdiskussion saß, wo es um das Thema ging und unter anderem das Spiel Sea hero quest vorgestellt wurde, das dadurch dass es Menschen spielen wichtige Erkenntnisse für die Alzheimer-Forschung liefert. Ich bin völlig begeistert, wie viel sich auf dem Gebiet Spielen im seriösen Kontext tut und hoffe sehr, dass es irgendwann selbstverständlich ist eine Gaming-Area in jedem Unternehmen und auch in Schulen und Unis zu haben. Durch Gamification habe ich schon sehr wichtige Aha-Momente gehabt. Einer der besten: Warum ich in Mathe in der Schule nichts verstanden habe. Wenn man ein Spiel spielt gibt es oft Level. Jedes Level ist ein wenig schwieriger als das vorherige. Um das nächste zu schaffen muss ich meine Fähigkeiten entwicheln oder eine bessere Ausrüstung bekommen. Die bekomme ich indem ich das Spiel spiele – also durch Übung. Am Ende kommt es dann oft zum Showdown mit einem zunehmend mächtigeren Endgegner. Wenn ich den besiege komme ich in das nächste Level, wenn nicht muss ich weiter üben und meine Fähigkeiten und Ausrüstungen steigern. In Mathe ist mein Endgegner, den ich „besiegen“ vielmehr bestehen muss. Schaffe ich den nicht, komme ich aber trotzdem ins nächste Level – also werde versetzt. Da ist mein Endgegner dann noch schwerer aber ich habe keine Chance mehr meine Ausrüstung und Fähigkeiten zu verbessern. Und von mal zu mal wird es schwieriger und endete dann bei mir mit einer 5 in Mathe. Vor dem Abi habe ich dann sehr intensive Nachhilfe bekommen und mein Nachhilfelehrer hat beim Stoff der 5. Klasse angefangen und ich habe alle Level gemeistert und auf einmal war Mathe kein angsteinflössender Gegner mehr.
Schließlich gestern dann habe ich einen Bezug zu Japan gehabt. In einem Artikel den ich las, gab es Hinweise auf viele Rituale und Traditionen, die es im Land der aufgehenden Sonne gibt. Je mehr ich mich mit dem Land beschäftige, desto faszinierter und gleichzeitig befremdeter bin ich. Im Studium habe ich mit einer Freundin eine Wohnung geteilt, die Interkulturelle Wirtschaftskommunikation mit Zielkultur Italien und Japan studiert hat. Wir hatten eigentlich immer irgendwelche japanischen Studierende in der WG zu Besuch, die Bettinas Sprachtandems waren. Auf der einen Seite waren die jungen Japaner mit denen ich zu tun hatte von einer großen Höflichkeit, Zurückhaltung und Ernsthaftigkeit bestimmt auf der anderen Seite ist es kein Thema, wenn in der U-Bahn in Japan ein gestandener Geschäftsmensch Mangas liest. Es kommt mir so vor, als ob die Disziplin, die schon sehr früh in das Leben Einzug zu halten scheint, eine Gegenwelt für Erwachsene mit sich bringt. Es scheint fast so, als wäre es gegenteilig zur Entwicklung bei uns. Wir spielen in der Kindheit, aber als Erwachsene ist es komplett verpönt bzw. gehört in die Freizeit und nach wie vor haben Lego Serious Play und Gamification in den alt eingesessenen Denkwelten einen schweren Stand. Genauso wie Comics und Graphic Novels.
Dabei hat Spielen einen tollen Effekt. Man muss Problemlösungsstrategien finden, sich Dinge merken, schnelle Entscheidungen treffen, Zusammenhänge herstellen usw. Führungsqualität und Teamfähigkeit werden gefördert und es macht Freude und Spaß. Es gibt tausend und einen Lerneffekt, der sich auch auf das persönliche und unternehmerische Leben übertragen lässt. Ich plädiere für mehr Spielen – auch im Unternehmen.
Und konkret? Wann spiele ich? Für mich funktioniert es sehr gut, wenn die Luft raus ist oder ich gerade feststecke. Wenn ich tatsächlich mal nicht weiter komme, stelle ich mir einen Wecker und gebe mir eine bestimmte Zeit vor in der ich spiele. Hilft eigentlich immer. Kennst du das auch? Und wenn ja was spielst du 🙂
Und falls ihr euch fragt, was landet bei mir so in der Konsole oder auf dem Tisch? Zunächst einmal: So richtig angefangen mit PC-Games hat alles mit Gothic 1 und 2 und Risen vor ungefähr 20 Jahren. Heute bin ich eher mit kurzen Intervallen dabei. Nächtelang spielen mache ich nicht mehr sehr oft. Aber ich puzzle, wenn ich entspannen will, oder bin auf meiner Insel bei Animal Crossing, wo ich neben angeln und Häuser dekorieren mit Vorliebe tauche oder ins Museum gehe. Ich liebe Mario Party und Joshi Craft und ich bin gerade dabei in Subnautical die Unterwasserwelt zu durchforsten um zu überleben. Ich spiele gerne Phase Zehn, Die Siedler von Catan und Escape Spiele und ich mag tatsächlich Merge Spiele und finde Hades und Co toll. Ich liebe auch Trivial Pursuit aber das spielt keiner mehr mit mir, weil ich fast alle braunen Fragen (Kunst & Literatur) beantworten kann. Das ich bei blau (Geographie) und orange (Sport&Co.) komplett ausfalle interessiert keinen. Und ich liebe Scrabbel, hab aber keine Chance gegen Marcus und so viele Spiele mehr. Einzig Monoploy und ich sind keine Freunde – ich bin meistens nach gefühlten 3 Minuten pleite.
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