Vor einigen Jahren war das Computerspiel „Guitar Hero“ sehr beliebt. Um es spielen zu können, benötigt man eine Spiele-Konsole, einen Gitarren-ähnlichen Controller mit Tasten statt Bünden und das Spiel an sich. Später fliegen zu Musik bunte Balken über den Bildschirm, die man im richtigen Rhythmus und den passenden Tasten zum richtigen Moment treffen muss. Im Spielverlauf werden die Musikstücke immer schwieriger und schneller. Für das gleiche Geld kann man sich eine preiswerte E-Gitarre und einen kleinen Verstärker kaufen und wenn man statt der Spielzeit Gitarre übt, könnte man hinterher E-Gitarre spielen.
Es ist mir wichtig, dass ich mich damit nicht gegen Muße, Freizeit oder Computerspiele stellen will. Im Gegenteil finde ich es sogar wichtig, dass nicht jede freie Minute effizient oder gewinnbringend genutzt wird. Und sogar wenn man strengere Maßstäbe an die Nützlichkeit von Spielen und hier Computerspielen legen wollte, so können diese tatsächlich auch nützliche Aspekte haben. Sie können der Forschung helfen, zum Beispiel bei der Demenz-Forschung. Sie können helfen, krebskranke Kindern und Jugendliche dazu zu motivieren, regelmäßig ihre Medikamente zu nehmen. Und ältere Menschen können Spaß am Zocken haben und nebenbei was für die geistige Fitness tun. Wie gesagt, darum soll es nicht gehen.
I don’t love studying. I hate studying. I like learning. Learning is beautiful.
– Natalie Portman
Vielmehr möchte ich mal laut über den Unterschied zwischen „Lernen und Lernen“, zwischen studying und learning nachdenken. To study lässt sich meiner Meinung nach nicht einfach wort-wörtlich mit „studieren“ übersetzen. Im Deutschen hat „studieren“ eher die Bedeutung „an der Uni eingeschrieben sein“. Am ehesten würde ich es mit formellem Lernen und Einüben übersetzen, vielleicht sogar mit der Konnotation „Büffeln“. Da diese Form des Lernens keinen sonderlich guten Ruf hat, möchte ich den Schwerpunkt in diesem Beitrag auf diese eher stiefmütterlich behandelte Lernform legen. Dabei interessiert mich, was genau diese Form des Lernens unattraktiv und damit unbeliebt macht.
Wenn ich nun auf diese Weise lernen wollte, was bräuchte ich dafür? Eine Voraussetzung für „das Lernen“ sind einigermaßen ideale Bedingungen, so dass man sich überhaupt in die Lage versetzen kann, konzentriert mit dem Stoff zu arbeiten. Auch ist ein gewisses Maß an Selbstdisziplin unverzichtbar, denn der Stoff ist nicht unbedingt einfach, ansonsten müsste man sich mit ihm nicht in der Form auseinandersetzen. Aber auch ein Wissen darüber, wie man nun lernt, ist hilfreich.
Im Extremfall ist Lernen ein Auswendiglernen. Man lernt Definitionen auswendig aber durchdringt dabei den Stoff nicht, entweder weil man nicht will oder kann. Noch extremer ist ein kurzfristiges „Bulimie-Lernen“ wo man in sehr kurzer Zeit viel Stoff auswendig lernt, nur um es kurz nach einer Prüfung wieder zu vergessen, quasi auszukotzen.
Es ist verständlich, dass versucht wird, diese Form des Lernens zu vermeiden oder unnötig zu machen. Was Auswendiglernen in kürzester Zeit angeht, da wäre ich der Meinung, dass es besser wäre, wenn man auf diesen Notanker verzichten könnte. Sowohl auf individueller Ebene, aber auch gesellschaftlich. Denn nicht nur wäre der Vorgang des Lernens befriedigender, sondern das Wissen wäre bestimmt auch nachhaltiger.
Aber was das formelle Lernen an sich angeht, da bin ich nicht so sicher, ob es möglich oder wünschenswert ist, dieses komplett zu eliminieren oder durch Gamification zu ersetzen.
Natürlich ist beim klassischen Lernen keine „instant gratification“ zu haben. Vielleicht kann die „long term gratification“ aber für die Mühen entschädigen? Etwa wenn man nach einer längeren Lernphase eine Sprache sprechen, ein Instrument spielen oder eine technische Sportart ausüben kann.
Wie schafft man es, sich trotzdem hinzusetzen und zu lernen? Um das hinzubekommen, braucht man Motivation (start with the why) und Volition (bewusste, willentliche Umsetzung von Zielen und Motiven in Resultate) und sicherlich kann auch wie schon erwähnt ein gewisses Maß an Selbstdisziplin nicht schaden. Für Durststrecken, wo es schwierig ist, sich zu motivieren. Wer Glück hat, hat dabei einen Lehrer, eine Trainerin oder Coach an seiner Seite, der einen dabei begleitet.
Im Gegensatz zum formellen Lernen, gibt es das informelle Lernen. Das informelle Lernen geschieht so nebenbei. Man ist neugierig, interessiert also hochmotiviert und bekommt in einem informellen Setting Information, die man gerade benötigt und merkt nicht, dass man gerade lernt. Die gute Nachricht: formelles und informelles Lernen sind keine unvereinbaren Gegensätze. Oft lassen sich beide Lernformen kombinieren.
Um nochmal das Beispiel Guitar-Hero aufzunehmen: Das Spielprinzip gibt es auch für echte Gitarren, dabei muss man echte Akkorde greifen um im Spiel weiterzukommen. Das Spiel ersetzt keinen Unterricht oder Üben, aber es kann dazu dienen zwischendurch mit seinen Fähigkeiten etwas Spaß zu haben und dabei einige wichtige Fähigkeiten zu trainieren.
Was habt ihr für Erfahrungen mit dem klassischen Lernen gemacht? Meint ihr, es ist möglich, auf diese Form des Lernens zu verzichten?
EDIT: Noch ein kleiner Nachtrag: Wer jetzt Lust bekommen hat, mal Guitar Hero auszuprobieren, der kann sich mal Frets on Fire anschauen. Das Spiel ist kostenlos und kann mit einer normalen Computertastatur gespielt werden. Wenn man sich diese umhängt, kommt man auch ziemlich nah an ein E-Gitarren-Feeling ran ^^ Wer auf das Gitarrenfeeling verzichten will, findet möglicherweise Gefallen am Rhythmusspiel Osu!
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