In meinem letzten Artikel über informelles Lernen schrieb ich über meine Betrachtung der Lernens, das uns nicht bewusst ist oder wird. Dabei nutzte ich den Vergleich Lernen sei eine Form der Alltagsbewältigung. Lebensbewältigung schon fast. Dieser Begriff hallt auch dann noch in mir nach, wenn ich mir die Frage stelle, warum es mir selbst so schwer fällt auf die Frage “Was habe ich gelernt?” zu antworten. Vor einem Problem stehen ist ein großer Moment, es knackt und zwirbelt. Doch wenn es läuft, dann läuft es. Dann wird kein Gedanke mehr an die Lern- und Lösephase verschwendet. Wie mache ich mir also bewusst, was ich gelernt habe oder kann?

Wie Kathe in ihrem Artikel schrieb, es gibt Dinge, die lernen wir und dann können wir es. Bewegungslernen, in dem wir bestimmte Bewegungen oder Abläufe so oft wiederholen, bis wir über die Tätigkeit nicht weiter nachdenken. Fahrrad fahren ist so eine Tätigkeit. Ist der Ablauf einmal verinnerlicht, dann wird nicht mehr aktiv über die Bewegungen nachgedacht, unser Körper tut ganz selbstverständlich, was wir einmal wackelig und unsicher erlernten. Weniger greifbar wird es beim Wissen. Wir wissen Dinge und wenn sie in Frage gestellt werden, dann fangen wir an zu schwimmen. 

Bei den Team-Treffen komme meist mit einer Check-in-Frage um die Ecke. Das ist so gewachsen, wahrscheinlich auch aus dem Moment heraus, als ich mir vornahm bewusster mit offenen Fragen und dem Interesse an der anderen Person umzugehen. Ich sammle Fragen als Screenshots, auf Internetseiten und habe ein paar Bücher, in denen Fragen gesammelt sind, die an sich selbst oder eine andere Person gestellt werden können. Eine davon “Was hast du gelernt?” Eine Frage, die ich mir auch stelle, wenn ich vor meinem Lerntagebuch sitze. Und diese Frage bringt mich ins Wanken. Hier schließt sich der Kreis, er ist noch nicht rund, doch er nimmt Formen an. Der Prozess des Problem Erkennens und nach Lösungsstrategien Suchens, ist (für mich) meist ein intensiver und etwas schmerzhafter Prozess. Ich muss mir selbst eine Leerstelle und Unwissenheit eingestehen. Das kratzt am Selbstbewusstsein. Und wenn eine Lösung gefunden ist, dann läuft alles recht schnell in glatten Bahnen. Ich möchte den Moment in dem ich mir meines Unwissens oder meiner Unfähigkeit bewusst wurde, ganz schnell wieder vergessen. Die gefundene Lösungsstrategie geht in das alltägliche Handel über und damit verschwindet der Moment dieses Lernen benennen zu können. Der kleine Erfolgsmoment der Erkenntnis verpufft so schnell im Alltag.

Damals, lang ist es her, als ich in der Schule war, wurde ich nach Schulschluss häufiger mal gefragt “Und? Was hast du heute in der Schule gelernt?” und ich habe mit einem Schulterzucken geantwortet. Die Antwort stimmte natürlich nicht ganz, “Nichts!” bedeutete eher “Nichts, dass für mich von Bedeutung ist.” Und manchmal bedeutet diese “Nichts!” auch, dass mir nur nicht klar war, dass etwas hängen geblieben ist.

 

Wie also Lernen bewusst machen?

 

In der Uni hatte ich bei einem “Schlüsselkompetenz-Seminar” einen großen Aha-Moment. Zum Abschluss eines jeden Seminartages gab es einen Stuhlkreis (ja, ich hasse diese pädagogisch wertvolle Sitzanordnung in der sich alle zugewendet sind und keiner weiß wohin mit dem Block oder den Stiften oder der Wasserflasche… Doch um den Sitzkreis soll es gerade gar nicht gehen) und der Reihe nach sollten alle Teilnehmenden etwas benennen, das sie heute gelernt haben. Alle etwas Neues, das bisher noch nicht genannt wurde. “Das wird nichts, so viel haben wir ganz sicher nicht gelernt!” habe ich mir gedacht und gleich Panik bekommen, weil ich im letzten Drittel des Kreises saß… Wenn wir bei mir angekommen sind, gibt es nichts mehr zu sagen und ich schaue dumm und glasig in die Gesichter der anderen Teilnehmenden und der Dozentin. Die ersten vier, fünf Nennungen habe ich also gar nicht so richtig mitbekommen, weil ich fieberhaft nach etwas in meinem Kopf suchte, dass wir am Tag gelernt hatten und das sicher niemensch anderes sagen würde. Und dann passierte etwas, das mich tief beeindruckte. Bei den Dingen, die andere Teilnehmende nannten. fielen mir viele wichtige Aspekte ein und Verknüpfungen, die für mich Relevanz hatten. Und so ging die Runde herum und als ich dran war, konnte ich mich fast nicht entscheiden, was ich nennen soll. Es hatte etwas Stärkendes in dieser Runde zu sitzen, all das Wissen noch mal zu benennen, das Gelernte zu rekapitulieren. Ich hatte das Gefühl alle Teilnehmenden hatten Energie und Lust auf den nächsten Tag, Neues zu lernen. Mir ging es in jedem Fall so.

In einem anderen Schlüsselkompetenz-Seminar fragte der Dozent morgens am zweiten Seminartag, vor einem Flipchart stehend “Was ist denn von gestern hängen geblieben? Was habt ihr gelernt?” wir saßen nicht im Stuhlkreis, sondern sicher an Tischen und ich spürte das selbe Gefühl, “Oh weh, was soll ich bloß sagen!?” Es ging nicht reihum, sondern einzelne Teilnehmende meldeten sich, benannten Theorien oder Grafiken, die uns gezeigt wurden. Andere blätterten in ihren Notizen und ergänzten dann etwas oder schauten doch aufs Handy. Es kam viel weniger zusammen.

So ganz habe ich den Moment für mich noch nicht entzaubert. Wieso klappte das in einem Seminar so empowernd und in dem anderen begann mit Minute ein die Frage “Wie lange noch?” in meinem Kopf zu dröhnen? Ich glaube einer der feinen Unterschiede ist die Frage nach der persönlichen Relevanz, der Anwendung auf ein Problem in meinem Alltag, die Verknüpfung mit der Bedeutung, die das Thema für mich hat. Eine Abfrage als Lernzielkontrolle gibt dem Gelernten doch meist den Charakter, dass es ab dem Bestehen der Kontrolle eben keine Relevanz mehr hat. 

Sitze ich nun also vor meinem Lerntagebuch oder meiner Monatsreflexion in die ich auch schreiben möchte, was ich gelernt habe. Bekomme ich meist diesen leeren, glasigen Blick, wie damals im Seminar als ich panisch anfing zu grübeln. Ich kann mich vor niemandem blamieren, meine Reflexion ist ja nur für mich und es gibt (außer mir) niemensch der:die urteilt. Trotzdem fällt es mir unglaublich schwer zu benennen was ich den Monat über gelernt habe. Weil die meisten Learnings zur Alltagsbewältigung gehören.

Und ich grüble noch: Wie kann ich den stärkenden Moment des Seminars in mein Leben und Lernen integrieren, denn was gibt mehr Kraft als sich seiner eigenen Selbstwirksamkeit bewusst zu werden?

 

Ich habe noch keine Lösung, stelle diese Überlegungen hier in den Raum, wie jene zu den Ploppcorn-Ideen, freue mich über Erfahrungsberichte und eure Lösungsstrategien und lasse Euch wissen, wenn ich eine Methode gefunden habe, mit der es mir leichter fällt Gelerntes und Learnings zu reflektieren.