Die Möglichkeit besser zu werden und zu lernen sind vielfältig. Da haben wir am Wochenanfang bereits einen Blick drauf geworfen. Klaus Hurrelmann beschreibt in seiner Theorie, dass wir durch gesellschaftliche Entwicklungen zu Bildungsmanager:innen in eigener Sache werden. In seiner Theorie findet sich der Mega-Trend der Individualisierung wieder. Die Verantwortung für die Optimierung unserer selbst und unserer Leistungen liegt bei uns. Das Mantra “always be the best version of yourself” geht wie ein Raunen durch die Gesellschaft. Daher möchte ich jetzt die Büchse der Pandora öffnen, mit meiner Buchvorstellung und der Frage: Müssen wir überhaupt so viel besser werden?  

Mit den Mechanismen und den Möglichkeiten sich selbst zu optimieren, beschäftigt sich das Buch „Wie gut soll ich denn noch werden?“ von Isabell Prophet

Als Podcasterin, Journalistin und Autorin, die sich mit neuen Formen der Arbeit, Selbstoptimierung und der Zukunft des Zusammenlebens beschäftigt hat Isabell Prophet eine ganze Bandbreite an Themen und Möglichkeiten ausgeschöpft. Mit einem kritischen Blick betrachtet sie in ihrem Buch was hinter der Selbstoptimierung und dem dazugehörigen Markt liegt. Das Buch fordert zum selber Denken auf. An ein paar Absätzen blieb ich grübelnd hängen, schrieb die Autorin nicht eben noch das komplette Gegenteil zu der These, die sie nun aufstellt? Sie führte mich beim Lesen einige Male aufs Glatteis und ließ mich aufmerken. An manchen Stellen kam es mir vor, als würde sie mich aus den Seiten des Buches verschmitzt anlächeln. Als stünde dort zwischen den Zeilen: „Erwischt beim ‚einfach so weg konsumieren‘. Schalt den Kopf ein, wozu hast du ihn!? Genau dieses Nicht-Hinterfragen ist das Problem!“ Der Tonfall ist für mich, der einer guten Freundin. Mit der ich am Küchentisch sitze und die mir gehörig den Kopf wäscht. Mit klugen Gedanken und wichtigen Erkenntnissen.

Rund um die Selbstoptimierung hat sich eine Wirtschaft entwickelt, die darauf vertraut, dass sie uns immer wieder in ein Mangel-Denken führen kann. Eine Vielzahl von Verkaufsstrategien beruht darauf, dass wir noch schöner, noch sportlicher oder noch * hier beliebiges Adjektiv einfügen * sein könnten. 

Und ich glaube, genau das ist auch das Problem beim ‘Neues lernen’ und Weiterbildungen. Wir sind getrieben von unserer Arbeit, wollen immer besser werden. Setzen uns mit Thematiken und Dingen auseinander, die unsere Arbeitskraft sichern. Wir versuchen negative Situationen und einen Mangel zu vermeiden. Was steckt hinter Arbeitsplatzsicherung als Motivation für eine Weiterbildung? Die Angst den Arbeitsplatz zu verlieren… Wer definiert wie gut gut genug ist? Durch die ständige Vermeidung von möglichen, negativen Folgen verlieren wir aus dem Blick, was uns persönlich nährt. Uns eine Pause vom Alltag ermöglicht oder uns (ich weiß das klingt jetzt verrückt) einfach nur Spaß macht. Ohne Mehrwert für den Lebenslauf oder den aktuellen Arbeitsplatz. Wenn all die Verantwortung für unsere Arbeitskraft und unser Lernen individualisiert wird, sollte dann nicht auch der persönliche ‘Nutzen’ individualisiert werden? Sollten wir dann nicht selbst bestimmen, was unser „gut genug“ ist? Kann ‘Habe ich gemacht, weil ich Bock drauf hatte’ nicht auch zu einem validen Argument werden? Vielleicht ist Innehalten, all das “Höher, schneller, weiter” in Frage stellen und nichts machen auch eine Option!? Die Antwort, die ich in dem Buch und bei Isabell Prophet gefunden habe: Bewusste Entscheidungen! Gar nichts müssen wir! Das wir die Verantwortung für uns tragen, ist schon richtig. Doch wir definieren auch die Maßstäbe, die wir anlegen. Und manchmal reicht das, was wir tun oder sind eben aus.

Alles ist furchtbar kompliziert. Das ist aber nicht schlimm! Kein Grund zu verzagen, kein Grund, verschreckt zu sein. Und auf keinen Fall ein Grund, auf simple Lösungen zu hören! Es ist in Ordnung, dass die Welt schwierig ist. Wir sind dem gewachsen.  – Isabell Prophet (S.117)

Meine Ausgabe des Buches hat mir die Autorin mit einigen lieben Worten zur Verfügung gestellt. Jedoch nicht als Rezensionsexemplar. Erschienen ist es im Goldmann Verlag und kann für 14€ erworben werden. 

 

Bei all der Individualisierung haben wir nicht nur die Vermeidung von Negativen in unserer Verantwortung, sondern auch das Genießen des Positiven. Mit Spaß und positiven Gefühlen lernt es sich übrigens auch besser!
Passend zum Spaß am Lernen und dessen positiven Effekten kann ich Euch auch diese Podcast-Folge “Kraftquelle Lernen” von Isabell Prophet ans Herz legen.