Das Buch ist Anschluss-Literatur*. Gesehen hatte ich es schon im Buchhandel und die Haptik des Covers erinnerte mich an Alte Sorten von Ewald Arenz. Der Dumont Verlag hat da ein paar hübsche Bücher mit einer Leinwand-ähnlichen Struktur herausgegeben. Den Impuls das Buch zu lesen, hatte ich dann durch diese Rezensionen, die auf dem Rücken anderer Bücher stehen, dieses “Oh wow, ein besseres Buch habe ich niemals gelesen – Irgend eine berühmte Person oder Zeitschrift”. In diesem Fall stand dieser Kommentar auf der Internetseite zur Vorstellung des Buches “Offene See”, welches ich hier bereits vorgestellt habe und sehr mochte:
Ein intensiver und bewegender Roman, der an J. L. Carrs ›Ein Monat auf dem Land‹ denken lässt.« The Guardian
Also war ich neugierig, bestellte das Buch in der Lieblingsbuchhandlung und schmunzelte beim Abholen, weil ich das Buch ja schon mal in der Hand gehalten hatte.
Das Buch ist eine Neuauflage, ein moderner Klassiker. Erschienen ist es 1980 bei Harvester Press. Es handelt vom Kriegsveteran Tom Birkin, welcher als Restaurator in einem kleinen Dorf in Yorkshire eine Kirchenmalerei freilegen und restaurieren soll. Die Geschichte schwebt wie der Flug einer Libelle zwischen Vergangenheit und Zukunft und findet sich immer wieder im Jetzt. Nur diese zackigen Flugmanöver bleiben aus, es ist eher dieser träge Flug an heißen Sommertagen, das knappe Schweben über der Wasseroberfläche.
Als Tom Birkin aus dem Zug steigt regnet es in Oxgodby. Vielleicht kein gutes Vorzeichen, doch der vom ersten Weltkrieg gezeichnete Restaurator setzt seinen Weg fort. Schläft im Glockenturm der Kirche und kommt in Kontakt mit den Bewohner:innen des Dorfes. Freundschaften entwickeln sich und Wunden heilen. Freundschaft und Liebe, alles findet seinen Platz.
Erst war ich skeptisch. Ein Buch von 1980 wird in seiner Sprache doch sicher auf eine seltsame Weise antiquiert sein und dann doch nicht, weil so alt ist es ja auch nicht… Die Übersetzung hat für mich einen tollen Bogen genau geschlagen. Die Sprache ist leicht und doch kräftig, sie reißt mit ohne an mir zu reißen. Wieder dieser weiche Libellen-Flug. Und dann die Landschaft, wenn ich die Augen schloss hatte ich das weite Yorkshire vor meinen Augen, die Stille auf dem Land, die aufgewärmten Wiesen des Sommers.
*Anschluss-Literatur bedeutet für mich, dass ich ein Buch gelesen und sehr gemocht habe. Und dann braucht es ein wirklich gutes Buch, das ans wohlige Lese-Erlebnis ‚anschließt‘. Dabei gibt es einen schmalen Grad zwischen dem das neue Buch wandelt, zwischen zu nah dran und ständigem Vergleichen mit dem vorherigen Lesegenuss und der thematisch zu großen Abweichung und dem nicht richtig drauf einlassen können, weil die Gedanken noch etwas bei dem vorherigen Buch hängen…
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