Lange ist es her, doch ich trieb meine Lieblingsbuchhändlerin einmal fast in den Wahnsinn mit der Suche nach einem Kinderbuch, das ich vor Ewigkeiten mal irgendwo angeschaut hatte. Es handelte von einem Raben, der sich mit den Federn anderer Vögel schmückt. Es ging um griechische Sagen… Mehr wusste ich nicht und hätte das Buch doch gerne gehabt. Trotz vollem Einsatz haben weder sie noch ich herausgefunden, wie der Titel gewesen sein könnte, wer Autor oder Autorin war oder sonst irgendwas.

Ich habe aber etwas Entscheidendes dabei gelernt: Kauf das Buch gleich, wenn es dir gefällt. Besonders bei Kinderbüchern hat das schon zu einer gewissen Sammlung geführt. Im Wohnzimmer ist ein ganzes Regalbrett (plus) mit ihnen gefüllt. Und ich schaue sie mir gerne an, wenn ich in Gönnerinnen-Laune bin, dann hebe ich die Nichte hoch und sie darf ein Buch aus der Sammlung ziehen. Wer sagt das Kinder ein Nutzungs-Monopol auf Kinderbücher haben!?

Neulich hatten wir “Der böse Kern” von Jory John und Pete Oswald auf unseren Beinen liegen und mussten das Buch vor der Hälfte zuklappen. Denn der Kern ist böse, ungemütlich böse und das hat einen Grund.

(Achtung Spoiler)

Seine Familie wurde als Sonnenblumenkern-Snack bei einem Footballspiel aufgegessen. An dem Punkt war die Nichte einfach wirklich verwirrt und überfordert. Und obwohl ich beim ersten Blättern noch von der Illustration und dem Gedanken, dass es immer einen Grund für “böse” gibt, sehr angetan, wusste ich jetzt auch nicht so richtig weiter. Ist doch schieße, wenn die ganze Familie aufgegessen wurde.

Kinderbücher sind nicht immer nette Bilder und eine heile “Moral von der Geschicht”. Komplexe und fordernde Themen werden heruntergebrochen und mit wenigen Worten und starken Bildern vermittelt. Der Anspruch ist ähnlich wie bei der Didaktischen Reduktion, die ich am Montag schon erwähnte.

“Eine Didaktische Reduktion von Lerninhalten bedeutet, dass Sachverhalte für die Lernenden so aufbereitet werden, dass sie überschaubar und verständlich sind. Sie findet statt, wenn aus einer großen Stofffülle eine Auswahl der Lerninhalte getroffen wird oder wenn ein komplexes Thema vereinfacht dargestellt wird, indem es auf seine grundlegenden Konzepte, Ideen oder Muster reduziert wird.” wb-web

In manchen Kinderbüchern klappt der Spagat zwischen Reduktion und Moral irgendwie nicht so gut.

Und weil wir den “Bösen Kern” vor der Hälfte zugeklappt haben, zog die Nichte ein anderes Buch von meinem Schatz-Regalbrett: Julian ist eine Meerjungfrau von Jessica Love. Erschienen im Knesebeck Verlag. Hier klappt es mit dem reduzierten und doch komplexen Thema: Ein wundervoll illustriertes Bilderbuch, das fast ohne Worte auskommt und viel Wärme vermittelt. Julian sieht mit seiner Großmutter drei als Meerjungfrauen verkleidete Menschen. Er möchte auch eine Meerjungfrau sein… Warum eigentlich nicht? Das Buch versorgte die Nichte und mich mit tollen Gesprächsimpulse über das Meer, bunte Fische und dass es okay ist, eine Meerjungfrau sein zu wollen, wenn es dich glücklich macht.

 

Das Foto des Titelbildes ist von Vladimir Mokry und der Blaupunktrochen von mir.