Wem ist es aufgefallen? Die Sommerpause hat sich etwas verlängert. Und mit dem Beginn des Herbstes juckt es auch wieder in den Fingern. Passt, dass ich gerade auf den letzten Seiten des letzten Buches meiner Sommerleseliste bin. Hier ein kurzer Rückblick auf alle Bücher, die ich diesen Sommer gelesen habe. Es ist sogar eines mehr geworden.

Der große Sommer von Ewald Arenz hatte ich beim Schreiben meiner Leseliste schon angefangen zu lesen und ich habe es tatsächlich mehrfach mit ins Freibad genommen, nur damit das Buch im Freibad war.

“Es war mild, und vor allem roch es überall gut und ganz anders als am Tag. Erdgeruch am Friedhof und ein wenig das bittere Aroma der Kastanienblätter, das mich schon an den Herbst erinnerte. Schön, in einer Sommernacht durch so einen Duft zu fahren. Weil es so ein plötzliches Gefühl von Jetzt war. Jetzt war Sommer. Es würde vorbeigehen, aber jetzt war Sommer.”

Der Donnerstagsmordclub von Richard Osman war ein herrlicher Anschluss-Leser, bei dem ich mir den zweiten Teil schon auf die Herbst-Leseliste geschrieben habe (ja, an der bastel ich gerade). Die Charaktere habe ich schnell in mein Herz geschlossen und der Perspektivwechsel zwischen Tagebucheinträgen und allwissender Erzählerin fand ich gelungen.

“Ich war nicht mehr in London gewesen, seit ich in Jersey Boys war, mit meinen Mädels, und das ist jetzt ein Weilchen her. Wir machten pro Jahr drei, vier solcher Ausflüge, wenn’s ging. Immer wie vier. Wir suchten uns eine NAchmittagsvorstellung aus und saßen noch vor der Stoßzeit wieder im Zug. Bei Marks & Spencer gibt es Gin Tonic in der Dose, falls Sie das kennen. Die zwitscherten wir dann auf der Rückfahrt und hatten es so richtig lustig. Außer mir sind jetzt alle tot. Zweimal Krebs, ein Schlaganfall. Keine von uns hat geahnt, dass die Jersey Boys unser letztes Mal sein würden. Wann man etwas zum ersten Mal macht, weiß man immer, nicht wahr? Aber fast nie, wann es das letzte Mal ist.”

Bell und Harry von Jane Gardam war dann etwas anstrengender, ein bisschen wie so ein flirrend warmer Hochsommertag. Irgendwie wünschte ich mir, dass es bald vorbei ist und im Nachhinein war es doch sooo schön. Kennt ihr das auch? Nicht nur während der Sommermonate verbringt die Londoner Familie die Ferienzeit auf dem Land. Über die Jahre entwickelt sich eine tiefe Freundschaft zwischen den Familien von Harry und Bell. 

Gray von Leonie Swann hat beim Lesen super viel Spaß gemacht. Ein Graupapagei, der immer wieder Pokerface von Lady Gaga anstimmt und damit seinen Neubesitzer, einen Uni-Professor, fast in den Wahnsinn treibt. Mit Feingefühl und Witz entwickelt sich die Freundschaft zwischen Papagei und Professor. Nebenbei wird noch ein Mord aufgeklärt, ohne dass der Spannungsbogen zu kurz kommt.

Luzies Erbe von Helga Bürster ist mir so in die Hände gefallen. Daher habe ich es bei meiner Sommerleseliste “dazwischen” geschoben. Obst auf dem Cover zieht mich irgendwie jedes Mal, besonders wenn es Äpfel sind. In dem Buch geht es um drei Generationen Frauen einer Familie, Großmutter, Mutter und Tochter. Luzie verliebt sich in den Zeiten des Nationalsozialismus in den Zwangsarbeiter Jurek. Obwohl es verboten ist, bekommen sie Kinder, heiraten später sogar. Und dann folgt Luzies Schweigen. Ein Schweigen, das sich über die Generationen trägt und dem Johanne nach dem Tod ihrer Mutter nachspürt. Ein tiefer, manchmal düsterer Blick in die Zeiten des Nationalsozialismus, deren Auswirkungen und die Auswirkungen dieser Zeit und des Krieges auf eine Familie.

“In der Nacht war es dann doch so weit. Luzie starb ein letztes Mal und blieb tot. Als sie es auch nach einer halben Stunde noch war, schlug Thea die Arme fröstelnd um ihre Schultern und lief in die Küche, um Kaffee aufzubrühen, obwohl sie es gerade erst getan hatte. Es war ein Reflex. Johanne blieb bei der Toten und sah dabei zu, wie die Zeit in Luzies Zimmer aufriss und die große Lüge preisgab. Es existierte gar kein Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Luzie war nicht mehr, aber nichts war vorbei.”

Schlafen werden wir später von Zsuzsa Bánk wollte ich zwischendrin weg legen. In den Erzählstil habe ich schwer hineingefunden. Der Schreibstil war ungewohnt, wenig erzählend und sehr lyrisch. Kein lockerer Fluß, stockend und zwischen zwei Perspektiven springend. E-Mails die zwischen zwei Freundinnen hin und her gehen. Und trotz des modernen Mediums ist die Sprache lyrisch, fast altertümlich. Ich habe weitergelesen, weil ich so dringend wissen wollte, wie sich die Leben der beiden so unterschiedlichen Freundinnen entwickeln. Schlafen werden wir später ist ihr Mantra, dass sie sich immer wieder zurufen, während die eine ihren stressigen Alltag zwischen Kindern und Autorinnendasein jongliert und die andere zwischen Lehrerin-Sein und Promotion pendelt. Irgendwann fand ich meinen Frieden damit, dass ich nur wenige Seiten am Tag lesen konnte und langsam voran kam. Ich konnte mich ein- und in die beiden Leben fallen lassen.

“Simon hat heute früh gesagt, ich halte die Welt fern von mir. So lebe ich, so arbeite ich, und so bin ich, fern der Welt, während ich jeden Morgen meine Kaffeetasse in den Händen gehalten habe, in der ja schon die ganze Welt schwimmt, wie könnte ich sie also fernhalten? Aber Dir verrate ich, nur Dir, liebste Jo, wie würde ich das gerne, wie würde ich diese Welt, die lautlärmend an meiner Tür brandet, an meine Fenster schlägt, bum-bum-bum, als würden sie gleich zerspringen, wie würde ich diese Welt gerne von mir fernhalten!”

Die viel zu dünnen Seiten haben einige Eselsohren abbekommen.

Das unglaubliche Leben des Wallace Price von T.J. Klune schloss sich dann leider an das schleppende Leseerlebnis an. Da ich letztendlich froh war, das Buch doch nicht zur Seite gelegt zu haben, beschloss ich auch hier nicht aufzugeben.

Und bis zum Schluss störte mich etwas an der Geschichte, an den Charakteren und besonders an den Dialogen, ohne dass ich es wirklich greifen konnte. Werke von Autorinnen miteinander zu vergleichen ist häufig schwierig, da eine neue Geschichte meistens mit einem anderen Schreibstil einhergeht. Einer Entwicklung des Autors oder der Autorin. Meistens, nicht immer. Was ich bei “Mr. Parnassus’ Heim für magisch Begabte” als absolute Stärke des Autors empfand, waren die Charaktere und deren Entwicklung. Das fehlte mir in diesem Roman. 

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid von Alena Schröder lese ich gerade. Die letzten hundert Seiten liegen vor mir. Es ist eines dieser Bücher, bei denen ich wissen möchte, wie es weitergeht und gleichzeitig möchte ich nicht, dass die Seiten weniger werden. Wieder ein Buch über die Familiengeschichte mehrerer Frauen, beginnende in der NS-Zeit. Senta heiratet jung den Kriegshelden Ulrich und bekommt mit ihm eine Tochter, Evelyn. Doch das Leben erfüllt sie nicht und sie geht einen ungewöhnlichen Weg für die 1920er. Sie lässt sich scheiden, lässt ihre Tochter bei der Schwägerin in Rostock und zieht nach Berlin. Später emigriert sie mit ihrem jüdischen Ehemann nach Dänemark und Brasilien. Evelyn ist die Großmutter von Hannah, welche auf einen Brief aus Israel stößt. Evelyn ist die Erbin von Nazi-Raubkunst und es besteht die Möglichkeit ein Restitutionsverfahren anzustreben. Doch Evelyn schweigt.

Das Buch ist aus Hannahs nüchterner Perspektive geschrieben und wechselt dann im Rückblick auf die Zeit des Nationalsozialismus in verschiedene Zeitabschnitte und Blickwinkel der Charaktere. Aus dem Blickwinkel von Evelyn, Senta Evelyns Mutter, Trude Evelyns Ziehmutter, Itzig Goldmann dem Kunsthändler und weiteren ergibt sich der Weg und das Geheimnis hinter dem Kunstwerken, die Evelyn erben könnte. Hannah macht sich auf die Suche, weniger nach dem vermeintlichen Vermögen, mehr nach dem Grund für Evelyns Schweigen.