Kollektives Lernen im Gewand einer Watch-Party – Wir haben mal was Neues ausprobiert. Gestartet haben wir das WissVibes-Projekt mit langen Meetings und viel Austausch zu unterschiedlichsten Themen. Was uns damals und heute besonders gut gefallen hat: Die unterschiedlichen Perspektiven, die zusammen kommen. Da unsere Meetings mittlerweile von viel Redaktionsplan, Organisatorischem und knappen Zeitplänen bestimmt werden, verloren wir den Austausch etwas. Das wollen wir wieder stärken und haben uns daher ein neues Format für unsere Treffen überlegt. Wir schauen zusammen einen Impuls von 10 bis 15 Minuten und tauschen uns im Anschluss aus. Über Learnings, Aha-Momente, eigene Erfahrungen und Assoziationen.
Link zum TedTalk https://www.ted.com/talks/nick_hanauer_the_dirty_secret_of_capitalism_and_a_new_way_forward
Luises Take-Aways
Marcus schlug den „forbidden ted talk“ vor. Im Internet las er über den kaum auffindbaren, kapitalismuskritischen Vortrag und es hörte sich alles so mysteriös an, wie sollten wir nicht neugierig werden? Wir planten also den TedTalk zusammen zu schauen… Und ich habe ehrlich gesagt überlegt, ob ich den Talk schon vorher schaue, weil ich so rätselte, was daran jetzt so kritisch, bahnbrechend oder was auch immer sei. In Vorbereitung auf unser Treffen legte ich also das Protokoll an, sammelte TOPs und suchte alle nötigen Links raus… Auch den für den TedTalk und nein, ich habe mich zusammen gerissen und nicht vorher schon geschaut. Der Vortrag war tatsächlich gar nicht so leicht zu finden. Was ich fand, waren viele „urbane Legenden“ und Artikel über den verbotenen TedTalk. Ich war irgendwann unsicher, ob ich den richtigen gefunden hatte, denn der Titel „Das schmutzige Geheimnis des Kapitalismus und ein neuer Weg“ klang jetzt nicht so arg nach etwas krass Neuem…
Beim Schauen dachte ich die ganze Zeit „Wann kommt der große Kracher!?“ und dann waren die knapp 15 Minuten vorbei und ich wartete immer noch. Hanauer sprach viele wichtige und interessante Punkte an, blieb für mich allerdings auf einer seltsam theoretischen Ebene. „Werde doch mal etwas konkreter!“ hallte es in meinem Kopf. Zwischen vielem, zu dem ich nickte und fand ich einen Aspekt besonders wichtig: Menschen sind soziale Wesen, auch in der Wirtschaft sollte es stärker um Kooperation als um Wettkampf gehen.
Wie das möglich ist? Wandel der Werte würde Hanauer wahrscheinlich sagen und genau so unkonkret bleiben.
Kathes Take-Aways
Ich hab‘ mich schon so lange auf unsere Lern-Party gefreut! Hätte ich den TED-Talk von Hanauer alleine geschaut, hätte ich resümiert „ganz nett“, und ihn wieder vergessen. Durch Marcus, Tanja und Luise muss ich differenzierter überlegen, was ich mitnehme, und merke wie unsere Wissens-Vibes beim Austausch wachsen… wie ich’s lieb <3
Hanauer stellt sich eingangs als Kapitalist vor, als einer der es geschafft hat, sich das System zu Nutze zu machen und einer der TOPblabla-Verdiener sei – er will sich für den Talk die Credibility schaffen, das verstehe ich, aber die Aussage hängt mit dem Titel umso mehr ein Versprechen, es besser zu machen. „Da bin ich ja mal gespannt!“ dachte ich bei mir.
Die Hauptthese ist, dass viele Aussagen des Neokapitalismus falsch seien, zum Beispiel die Vorstellung dass höhere Löhne weniger Jobs bedeuteten. Stattdessen sagt er bedeuten höhere Löhne neue Jobs und Wachstum, allgemein ginge Zusammenarbeit über Wettbewerb („Cooperation not Competition“).
Seine 5 Regeln für die „new way forward“ sind:
- Erfolgreiche Wirtschaftssysteme sind Gärten, keine Dschungel – sie müssen umsorgt, d.h. reguliert werden
- Inklusion kreiert Wachstum (nicht: Erst dann in Inklusion investieren, wenn man Geld dafür übrig hat)
- Die Vision darf nicht sein, die Führungsebene reicher zu machen, sondern sollte das Wohl aller im Blick haben
- „Greed is not good“ – Habgier ist schlecht (für Wirtschaft und für alle)
- Die Regeln des Wirtschaftens sind, nicht wie die Gesetze der Physik gesetzt, sondern können gestaltet werden („they are a choice!“)
Und damit schließt er den Talk! Die Regeln sind ja schön und gut (und nichts Neues, auch für 2014 nicht), ich hätte mir aber gewünscht dass dieser reiche weiße Mann nun auch seiner Verantwortung gerecht wird und zeigt, wie er diese Regeln in die Tat umsetzt und den new way gestaltet. Oder gelten diese Regeln, wie so oft „nur für die anderen“? Naja.
Marcus Take-Aways
TEDTalks sind ja meistens interessant, schon allein wegen der Themenvielfalt aber natürlich erst recht wegen der Präsentation und den Vortragenden. Bei diesem speziellem Talk habe ich gelesen, dass der angeblich nicht einfach so zufällig wie andere Talks gefunden werden könne, sondern dass man schon wissen müsse, wonach man sucht. Da frage ich mich schon, was dafür wohl der Grund sein mag.
Inhaltlich barg der Vortrag für mich nichts Neues und ich finde auch, dass der Redner mit seiner Person kritische Nachfragen geradezu herausfordert. Schlecht finde ich den Vortrag dennoch nicht. Zum einen sorgt der Neoliberalismus ja für ein penetrantes Grundrauschen mit pseudowissenschaftlich verbrämten Dogmen und Glaubenssätzen. Da ist es gut, dass auch andere Stimmen hörbar werden und ihrerseits (auch altbekannte) Fakten wiederholen. Es gibt sicherlich Menschen, denen die Umstände, in denen sie leben nicht bewusst sind oder zwischenzeitlich vergessen haben. Zum anderen kann es auch nicht schaden, wenn ein Milliardär diese Fakten aufzählt. Bei diesem prallen ad-hominem Angriffe und Ausreden ab – er beweist ja mit seinem wirtschaftlichem Erfolg, dass er kein linksgrün versiffter Spinner und nur faul und neidisch ist.
Mein Learning, oder die wichtigeste Erkenntnis aus diesem Talk ist, dass der Neoliberalismus sich den Anstrich einer Wissenschaft gibt und sich damit rechtfertigt, dass die Wirtschaft quasi auf Naturgesetzen beruhe. Um es nochmal zu wiederholen: Die Wirtschaft funktioniert nach Regeln, die geschaffen wurden und auch verändert oder ersetzt werden könnten.
Zur Zeit demonstriert übrigens Christian Lindner diesen Sachverhalt sehr eindrücklich: Heißt es sonst immer, es sei kein Geld da oder man dürfe sich nicht verschulden, zaubert er mal eben 100 Mrd. Euro Sondervermögen für die Bundeswehr aus dem Hut. Genauso gut könnte man auch Sondervermögen z.B. für Bildung oder für Klimaschutz einsetzen. Für Rüstung ist immer Geld da, für Bildung etc. nicht.
Tanjas Take-Aways
In einigen Kontexten, zB in meinem früheren Job als Mitarbeiterin bei Bildungsprojekten habe ich mir einen Namen gemacht als Recherche-freudig. Warum erzähle ich das hier? Ihr werdet sehen. Aber von vorne: Die Idee einer Watchparty zum Lernen fand ich super. Kathe hatte auch schon mal vorgeschlagen die schier endlosen Mengen an Onlinekursen, die jede/r von uns im Laufe der Jahre so angesammelt hat, auch mal als Watchparty zu konsumieren. Vielleicht unser nächstes Event? Aber zum TED Talk. TED steht ja für Technology Entertainment und Design und daher schaffen es auch Vorträge zu Themen, die nicht unbedingt auf meiner Prioritätenliste ganz weit oben stehen, mich gut abzuholen. Mit schlechten Vorträgen gewinnt man da keinen Blumentopf. Aber was kann man Wirklichkeit lernen?
Here we go
1. Traue nur einem überprüften Gerücht
Dieser TED Talk schien die Aura des Verbotenen zu haben. TED wollte nicht, dass man ihn zufällig findet… okay… Wenn man ein wenig recherchiert (Ihr wisst ja von oben, dass ich das sehr gerne mache. 🙂 ) zeigt sich eine ganz interessante Geschichte. Der Vortrag wurde zuerst 2012 gehalten, wurde dann aber gelöscht. Es gab darauf hin einiges an Diskussionen, so dass Chris Anderson, der Kurator der TED Talks, der für die Löschung verantwortlich war, zurück ruderte und Nick Hanauer zwei Jahre später, einen ähnlichen, sogar längeren TED Talk halten durfte. Das ist eben der, den wir euch oben verlinkt haben. Nun würde ich wahnsinnig gerne wissen, ob der ursprüngliche Talk schärfer war, aber so spielt das Leben. Inhaltlich werde ich nichts weiter sagen, denn das hat Kathe super auf den Punkt gebracht.
2. Zeitgeist und Zeitgeschehen
Wenn ich etwas anschaue, was aufgrund der offensichtlich brisanten Inhalte in den Fokus geraten ist, dann habe ich automatisch eine sehr hohe Erwartungshaltung. Dummerweise habe ich erst hinterher geschaut von wann der Talk war. Dementsprechend war ich ein wenig verwirrt, dass die hinlänglich bekannten und wenig innovativen Aussagen für so viel Aufsehen gesorgt haben. Aber wenn man sich überlegt, dass es schon knapp 10 Jahre her ist… vielleicht war es damals noch ungewöhnlich, dass einer der reichsten Menschen der Welt sowas sagt. Mich hat es nicht vom Hocker gehauen. Schaut man sich heute um, was die Welt bewegt kommt man schnell zu Inner Development Goals, Sustainable Leadership oder den ESG Kriterien (Environment, Social, Governance). Eigentlich ganz schön zu sehen, dass sich die Welt weiter entwickelt hat.
3. Lass Worten Taten folgen
Gerade weil dieser Talk schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, hatte ich ein wenig erwartet, dass mir der Name des Sprechers etwas sagen müsste, denn wenn er seinen Worten Taten hätte folgen lassen, wäre er sicherlich in die Annalen als der Mensch eingegangen, der die Wirtschaftsdenke grundsätzlich verändert hat. Als der Philanthrop unter den Null-Komma-was-auch-immer Prozent der Reichsten und Mächtigsten. Aber ich musste ihn erst googeln und auch dann findet man keine großen Kampagnen, Projekte oder Modelle, die zeigen, dass er vorlebt, was er erzählt. Also kein „Tue Gutes und rede drüber“. Durch diese Beobachtung ist es sehr interessant gewesen, den Talk quasi retrospektiv zu hören. So konnte man gleich sehen, was draus geworden ist…
4. Gemeinsam ist besser
Ich habe bereits früher oft die Beobachtung gemacht, dass ich mehr mitnehme, wenn ich drüber spreche. Allein im Museum erfreue ich mich an den Kunstwerken oder Exponaten, aber erst, wenn ich mit jemandem darüber spreche, was ich sehe und denke, starten meine Synapsen so richtig durch und verknüpfen Wissen aus dem Unterbewusstsein mit dem was ich sage. Manchmal spüre ich auch das Phänomen, dass sich Gedanken erst beim Aussprechen zu formen scheinen. Genau so war es auch bei unserer Learning Party. Alleine hätte ich mir den Talk vielleicht angeschaut, aber wäre sicherlich nicht so konzentriert gewesen und durch die Analysen der drei anderen wurden bei mir nochmal ganz andere Ideen hervorgerufen.
Ich freu mich schon aufs nächste Mal.
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