Tag 5: Wie geht es dann weiter?

Das sind gar keine fünf Tabs. Da war noch etwas offen über Visualisierung in Lern-Lehr-Settings. Den einen Blog fand ich so seltsam, dass ich den Tab offen gelassen habe, um das nochmal genauer anzuschauen… Ich frage mich, ob ich weiter komme mit offenen Tabs und erstbesten Suchergebnissen.

Ich frage mich also ob und wie Lerntagebücher das selbstgesteuerte oder selbstorganisierte Lernen begleiten können. Gibt es gute Fragestellungen oder Ansätze, die ein Reflektieren des Lernprozesses unterstützen? In vielen Blogs und Artikeln geht es um schulisches Lernen, um die Verbesserung des Lernverhaltens von Kindern (meist in Unterstützung durch die Eltern). Wir lernen unser Leben lang und trotzdem dreht sich so vieles um den schulischen Kontext. Aus meiner Erfahrung heraus wage ich die Aussage, dass schulisches Lernen nicht immer förderlich war für mein Lernen über diese Phase hinaus. Ich glaube sogar, dass ich jetzt vieles erst wieder verlernen muss, um dann auf meinem eigene Art wieder lernen zu können.

Eine wichtige Erkenntnis: Beim Führen eines Lerntagebuches sollte es nicht um die Reflexion von Lernprozessen, zur Selbstoptimierung oder effektiveren Gestaltung des Lernens gehen. Ich sehe die Stärke eher darin den Prozess des Lernens und das Wissen an sich deutlich zu machen. Meine Einstiegshypothese betrachte ich als belegt.

Im Bereich des Management gibt es die “5 Warum”. Die Frage “Warum?” wird in einer immer feiner werdenden Folge gestellt, um die tiefer liegenden Handlungsgründe deutlich zu machen. In selbstorganisierten Lernprozessen könnte diese Fragetechnik ein guter Start sein und die eigene Motivation für das Lernen klären. Dabei ist es wichtig, sich diese Fragen wohlwollend zu stellen.

Tag 6: Wie kann oder muss Lernen gestaltet werden? Und von wem?

Bei Instagram bin ich über den Account eines Lern-Coach gestolpert. Spannend wie sich verschiedenste Berufsgruppen mit der Gestaltung von Lehren und Lernen beschäftigen. Während meines Studiums herrschte bereits die Diskussion, dass es nicht mehr Lehrende und Lernende gibt. Die Rolle der Lehrenden wandelt sich zu der von Lernprozess-Begleitenden. Der Spagat ist eine Herausforderung, einerseits fachlich komplett in den Themenfeldern aufgehen, also praktisch zu einem Fachidioten oder einer Fachidiotin zu mutieren, und andererseits tief in die Didaktik eintauchen. Ich habe als Schülerin beides erlebt, entweder verstehen “die da Vorne” richtig was von ihrem Thema und verzweifeln an den großen Augen der Klasse… “Wieso versteht ihr das nicht, ist doch logisch!” Oder das Thema kann mit einem bunten Blumenstrauß der Methoden vermittelt werden, Nachfragen sollten nur keine gestellt werden… “Das weiß ich jetzt auch nicht so genau…”. Das ist viel verlangt für einen Job, der eh schon so viel verlangt.

Jetzt hat es mich etwas weg getragen. Dieser Lern-Coach nimmt sich also die Zeit und erklärt verzweifelten Eltern im “Home-Schooling” wie sie Rechnen, Vokabeln lernen und Co für sich und die Kinder ansprechender gestalten können. Und welche Diskussion kommt auf? Dass die gelöste Aufgabe, dann auch noch ordentlich mit dem entsprechenden Stift in das Heft übertragen werden muss. In Deutschland, dem ehemaligen “Land der Dichter und Denker”, müssen wir über das Schulheft als Bewertungsgrundlage diskutieren. Es ist nicht relevant, ob das Lernen Spaß macht oder eine andere Methode dem individuellen Lernen vielleicht besser zuträglich ist, sondern ob auch mit dem HB-Bleistift in das passende Heft geschrieben wurde. Wenn die Lernenden im schulischen Kontext schon unfrei sind, ihrem Denken und Welt erfahren einen Raum zu geben, welchen Grundstein legen wir uns selbst als Gesellschaft? Deutschland, das Land der Bürokratie und korrekt ausgefüllten Formulare.

Vielleicht habe ich den Aspekt eines Lerntagebuches bisher unterschätzt: durch das Reflektieren des Gelernten wird eben nicht nur Wissen deutlich. Wir können uns auch den Raum für die Erkenntnis nehmen, wie wir gerne selbstorganisiert lernen. Gäbe es den Freiraum schon in der Schule auf diese Expedition zu gehen, könnten vielleicht auch Themen wie Mathematik etwas ihren Graus verlieren. Es muss dann nicht nur stumpf im Kopf die Zahlen durchgehen sein (und zugegebenermaßen unterm Tisch heimlich mit den Fingern mitzählen)… Dann könnte es auch den Raum geben sensorisch Zahlen durch Linsen abzählen oder sonst was zu erfahren… Zumindest bis zu einem gewissen Grad. Integralrechnung mit Linsen könnte verrückt werden. Integralrechnung, schau mal, da ist doch irgendwas hängen geblieben!

Tag 7: Ist Lernen so ein emotionales Thema, weil wir in einer Leistungsgesellschaft leben? Ist sich messen und gemessen werden die Antwort?

Bei meiner Recherche entdecke ich, dass Lernmethoden und didaktische Kniffe oft absolut formuliert werden. Dabei sollte die Methoden immer passend gewählt werden. Und wenn sie nicht passen, dann müssen sie an den jeweiligen Ecken und Kanten weitergedacht und passend gemacht werden. Mir kommt es vor, als würde es immer eine einfache, allgemeine Lösung geben. Ich erwische mich zumindest dabei, dass ich nach ihr suche und dann immer wieder diese Blase zerplatzt. Auch so ein Kniff der Leistungsgesellschaft, wir müssen nur gut genug sein, dann bekommen wir die entsprechende Schulempfehlung und den richtigen Job und das Leben wird einfach sein. Nein, ist es nie, wird es nie. Wieder lass ich die Blase zerplatzen. Gut genug sein bedeutet nämlich besser sein und wir versuchen immer besser zu sein als wir gerade sind. Das ist ein verdammtes Hamsterrad. Praktisch die Zahl Pi unseres Lebens, nach dem Komma hört es nie auf.

Mit einem Lerntagebuch lassen sich zwei Ebenen betrachten. Der Inhalt, also was gelernt wurde, und die Selbstbeobachtung, wie gelernt wurde. Dabei kann man sich ganz schön verstricken. Wird vor allem der Inhalt dokumentiert, kann das Lerntagebuch auch schnell zu einer Mitschrift verkommen. Die gefüllten Seiten werden zum Material gewordenen Wissen. Doch der Mehrwert, die tiefergehende Auseinandersetzung und die nachhaltige Verankerung des Wissens fehlt. Andererseits frage ich mich, wie sehr man sich in Verklausulierung, Methoden und potenziellen Lernstrategien verstrickt. Vielleicht verliert sich das Lernen dann auch im Reflektieren, Hinterfragen und Deuten. Und über dies kommt gar kein Neues Wissen hinzu.

Bisher habe ich das Lerntagebuch als etwas betrachtet, dass NACH der Lernphase geschrieben wird. Ist ein Lerntagebuch noch ein Lerntagebuch, wenn es zu BEGINN des Lernens geschrieben wird. Kann es den Einstieg ins Lernen erleichtern? Vielleicht kann ein Lerntagebuch wie ein Ritual zu Beginn und Abschluss einer Lernphase genutzt werden. Doch wie verhält es sich mit impliziten Lernen und Wissen. Also wenn wir lernen, ohne dass uns klar ist, dass wir lernen?

Tag 8: Habe ich was gelernt?

Auf der Suche nach wissenschaftlicheren Quellen stolpere ich über eine Handreichung des Instituts der Pädagogischen Psychologie an der Universität Freiburg. Der Beginn gefällt mir, es fasst meine bisherigen Erkenntnisse in eine knappe DIN A4 Seite zusammen: Ziel eines Lerntagebuches ist ein vertieftes Verständnis von Themen zu bekommen, durch Nachbearbeitung und Reflexion. Dabei werden vor allem jene Aspekte benannt, die individuell als bedeutsam, interessant oder neu bewertet werden. Dadurch entwickeln die Lernenden ein Bewusstsein für ihren Prozess des Lernens. Verhalten kann in nützliche Lernstrategien umgedeutet und individuelle Strategien entwickelt werden. Durch das Verschriftlichen von Gelerntem in den eigenen Worten kann Gedankengängen Raum gegeben werden. Themen können weitergedacht, Zusammenhänge hergestellt und an Erfahrungen angeknüpft werden. Das Führen eines Lerntagebuchs macht den Prozess des eigenen Lernens sichtbar und somit das eigene Wissen. Die Stärke liegt darin, dass die Lernenden ihren individuellen Erzählstil und Umgang finden.

Dann bekommt die Handreichung einen Twist und wird zu quantifizierbaren Kriterien-Katalog zur Leistungsbewertung… So ist es mit dem Lernen, es muss vergleichbar sein. Auch wenn es am Ende Formalien wie Schriftgröße und Zeilenabstand sind. Entweder du löst die Aufgabe oder du hast nichts gelernt. Wir müssen uns davon frei machen, dass Lernen einer Bewertung und einem Vergleich dient. Lernen sollte losgelöst als persönliches Wachstum und eine Aneignung der Welt betrachtet werden. Dabei kann die Methode des Lerntagebuchs dazu dienen, den eigenen Prozess und das Wissen deutlich zu machen. Nicht zur Bewertung oder Quantifizierung des Wissens. Sondern zur Stärkung und Sichtbarmachung des eigenen Wissenserwerb. Denn meist wissen wir gar nicht, wie viel wir eigentlich wissen.

Eigentlich wollte ich noch weiter in die Untiefen von wissenschaftlichen Betrachtungen der Lernmethode Lerntagebuch abtauchen. Doch ich entscheide, dass ich an diesem Punkt einen ausreichenden Eindruck von dieser Methode bekommen habe. Fragen und offene Aspekte habe ich noch, doch einige werde mich vom eigentlichen Thema wegtragen: Kann ein Lerntagebuch zur Klärung der Lernmotivation beitragen? Kann die Motivation zum Lernen für jedes Thema geweckt werden? Kann eine nachhaltige Auseinandersetzung mit Themen durch die Klärung eines Anliegens gelingen? Verhält es sich ähnlich wie mit dem aktuellen Trendthema der Arbeitswelt: Purpose?