Die Offenheit, Wertschätzung und der wohlwollende Austausch ist etwas, dass mich durch unser Barcamp, die WissVibes #2, getragen hat. Egal ob im Plenum, den Sessions oder kleinen Breakout Räumen. Es entstand eine Atmosphäre, in der es mir leicht fiel, meine Sichtweise und Gedanken zu teilen, offen zu sein für andere Standpunkte. Durch den Austausch habe ich Neues und andere Sichtweisen betrachten können, habe mein eigenen Gedanken zwischen den Argumenten anderer Teilgebenden sortiert und neue Impulse haben mein Nachdenken angeregt. Ich habe einiges gelernt!
Diese Erfahrung steht in großem Kontrast zu dem, was ich aus meinem schulischen Lernen erinnern kann. Das institutionalisierte Lernen prägt, wie wir uns auch nach der Schule durch Lernkontexte bewegen. In meiner schulischen Lernerfahrung gab es kaum Austausch über unterschiedliche Sichtweisen. Es gab eine richtige Antwort, die irgendwo in einem Buch stand, und die wollte der Lehrer oder die Lehrerin hören. Diese Erfahrung schuf eine Weltsicht, in der es nur eine richtige Antwort gibt, welche gegeben werden kann. Und ich erwische mich recht oft mit Zweifeln, ob das was mir auf der Zunge liegt, das ist was gerade jemensch von mir hören will. Durch Gespräche und Beobachtung hat sich bei mir der Eindruck eingeschliffen, dass es anderen Menschen auch so geht. Dass sie ähnliche Erfahrungen gemacht und Schlüsse (bewusst oder unbewusst) gezogen haben.
In der Schule habe ich mich daher kaum gemeldet. Wenn ich Gedanken, Erfahrungen oder ein Gefühl zu einer Thematik hatte teilen wollen. Die Angst war zu groß, dass es nicht das Erwartete war. Gefühle, Gedankengänge und Erfahrung stehen ja auch nirgendwo. Außer in meinem Tagebuch damals, nicht die wissenschaftlichste Quelle, muss ich zugeben.
Am Ende hatte ich allerdings immer Angst mich selbst mit meiner Unwissenheit bloß zu stellen. Ich glaube, diese Angst trägt sich fort. Wir haben Angst, nicht das zu sagen, was erwartet wird. Kurz: Das Falsche. Denn Fehler bedeuten Schwäche oder Versagen. In der Schule ist ein Test ja erst gut, wenn Nichts mit einem roten F markiert wurde… Wenn wir etwas falsch machen, dann stellen wir uns bloß, machen uns angreifbar. Auf einen Fehler hingewiesen zu werden tut weh.
Es gibt Kontexte in denen geht es um Dominanz und Macht. Auch in der Schule, auch auf der Arbeit. Wer etwas weiß, kann Nicht-Wissende vorführen. Tatsächlich habe ich genau so eine Situation neulich erlebt… In einer Online-Veranstaltung wagte ich die Gegenrede, stellte meine Sicht auf Grundlage eigener Erfahrungen dar. Und wurde mundtot gemacht “Du redest gerade nur über deine Erfahrungen und Gefühle, kannst du das auch mit einem Artikel oder Zitat belegen!?”. Wer einen Fehler entdeckt, hat die Deutungshoheit über die Schwere und kann diesen sowie die:den Fehlermachenden auflaufen lassen.
Es gibt mehrere Aspekte und Blickwinkel im Zusammenhang mit Fehlern:
- wie gehe ich selbst mit eigenen Fehler um,
- wie gehe ich damit um, wenn andere Fehler machen,
- wie gehe ich damit um, wenn andere mich auf meine Fehler hinweisen.
Im Design Thinking gibt es den Ansatz “Fail Forward”. Dieser Ansatz nimmt nicht die Postiton einer exakten Methode ein. Sondern ist eine Haltung. Fehler können dich weiterbringen. Schwachstellen, Knackpunkte und Stolpersteine zu erkennen, macht dich schlauer. Gibt dir Raum etwas besser zu machen. Dafür ist es hilfreich, wenn Fehler klar und konstruktiv benannt werden. Egal ob ich sie selbst gemacht habe oder jemand anderes. Mit offenen und wertschätzenden Umgang können Fehler als Chance begriffen werden. Anders als das mahnende F am Rande des Tests, können Fehler auch Räume öffnen. Sie zeigen Entwicklungsmöglichkeiten, Leerstellen, Raum für Wachstum. Aus Fehlern können wir lernen. Daher sollten diese nicht nur eingestanden und in Zukunft vermieden werden. Reflektion und Austausch können dabei helfen aus schon mal gemachte Fehlern zu lernen. Ein Gewinn nicht nur für die Fehlermachenden. Das zeigen unter anderem die sogenannten “Fuck Up Nights” bei denen offen über kleine und große Fehler gesprochen wird.
Manchmal tut es weh zu begreifen, dass ein Fehler gemacht wurde. Gefühle spielen beim Fehler machen eine große Rolle. Angst vor Ablehnung, der Wunsch gesehen zu werden und dazu zu gehören. Es geht um Beziehungen und das Verhältnis, in dem Menschen zueinander stehen. Auf Augenhöhe und im Austausch können wir am Besten voneinander lernen. Durch den Austausch und die Rückmeldungen können wir uns mit anderen Lebenswirklichkeiten und Ansichten verbinden. Habe ich keine Angst davor einen Fehler zu machen, bin ich näher bei mir, kann mich mit den Inhalten und Themen auseinandersetzen und lerne viel tiefer.
Ich glaube, wir (Organisator:innen und Teilgebende, alle zusammen!) haben es ganz wunderbar geschafft durch Offenheit und Wertschätzung einen digitalen Raum zu gestalten, in dem es möglich war sich auf Augenhöhe zu begegnen und auszutauschen. Und dabei beginne ich zu verlernen, Angst vor meinen eigenen Fehlern zu haben.
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