Ich bin noch nie wirklich auf Wellen im Wasser gesurft. Nach einer traumatischen Wasserski-Begebenheit in Kindertagen, zieht es mich auch nicht wirklich zu dieser Aktion. Aber ich bin Weltmeisterin im … TADA: vernetzten Wissenssurfen. Von der wunderbaren Doro Ottermann habe ich nämlich gelernt, dass es wichtig ist, einen guten Namen für etwas zu finden und schon wird es ernst genommen.

Tatsächlich ist es so, dass ich beim surfenden Nachschlagen im Internet konkurrenzlose Meisterin der ultimativ krassesten Suchverläufe bin. Ein Beispiel gefällig?

Stop 1 JURASSIC PARK III und der Spinosaurus aegyptiacus

Ich liebe Jurassic Park und alle Nachfolger. Arthouse und Dramen ohne Happy End müssen es für mich nicht sein. Ich bin bei Filmen einfach gestrickt. Ich mag, wenn es kracht, etwas in die Luft fliegt oder jemand im Weltall herum düst. Und ich liebe Godzilla und Dinosaurier und somit auch Jurassic World, Park und Co. denn dabei kann ich wunderbar abschalten.

Vor kurzem war also mal wieder Jurrasic Park III-Zeit, das ist der, wo der Junge auf der Insel abstürzt und die Eltern ihn zusammen mit Dr. Grant aus dem ersten Teil suchen. Neuster Riesensaurier in diesem Teil ist ein Spinosaurus aegyptiacus, einer der wohl größten Fleischfresser-Saurier ever. Also musste ich recherchieren, weil ich wissen wollte wieso aegypt…

Stop 2 Ernst Stromer von Reichenbach

Wie ich bei Wikipedia las, noch während gerade ein Protagonist im Maul besagter Riesenechse das Zeitliche segnete: Die ersten Knochen dieses Dinosauriers wurden 1912 in Ägypten entdeckt und 1915 von dem deutschen Paläontologen Ernst Stromer von Reichenbach beschrieben. Wenn da was verlinkt ist, muss ich irgendwie zwanghaft klicken, also auf den Dinomann und weiter geht die wilde Reise. Coole Biographie, viele Verdienste. Tragische Verluste der Kinder im 2. Weltkrieg. Weiter auf die Familie, denn da scheint es einige spannende Persönlichkeiten zu geben.

Stop 3 Stromer von Reichenbach

Der gute Ernst gehört dem Clan der Stromer von Reichenbachs an, die eine der ältesten Patrizierfamilien der Reichsstadt Nürnberg waren, erstmals urkundlich erwähnt im Jahr 1254. Okay ich weiß noch, wie meine Großeltern hießen und dann hört es bei mir mit der Ahnenforschung auf. 1254 ist schon eine Hausnummer und nächster Halt: Einige ausgewählte Familienmitglieder

Stop 4 Ulman Stromer (1329-1407) und die älteste Papiermühle nördlich der Alpen

Dieser Urahn eines der bedeutendsten Paläontologen des frühen 20. Jahrhunderts ließ 1390 die erste Papiermühle nördlich der Alpen errichten und begründete damit die Herstellung von Papier in Mitteleuropa. In Italien gab es nämlich bereits seit dem 13. Jahrhundert die heute noch bekannte Papiermühle Fabriano, die es auch noch gibt und die unter anderem das Papier für die Euro-Scheine herstellt – das musste ich tatsächlich nicht googeln, sondern das war aktives Wissen aus dem Wehrschen Fundus. Ulman Stromer war auch der Chronist der Familie und des Zeitgeschehens. 1407 ist er dann an der Pest gestorben. An dieser Stelle war ich kurz versucht mich weiter auf den Weg der Pestgeschichte zu machen – aber na ja, ein bißchen Pandemie-müde habe ich stattdessen den Halbbruder Peter verfolgt.

Stop 5 Peter Stromer (1315-1388) und die Forstwirtschaft

Als Chef eines riesigen Handelsimperiums, lag Peter Stromer viel daran, dass alle zugehörigen Betriebe liefen. Dafür war im 14. Jahrhundert eine gewaltige Menge an Holz und Holzkohle nötig und das waren rund um Nürnberg und an anderen Orten seltener werdende Güter. Die nachhaltige Forstwirtschaft gab es noch nicht und die vereinzelten Feldversuche schlugen nicht an. Bis Peter Stromer kam. Er experimentierte mit verschiedenen Baumarten und kam zu dem Schluß, dass man mit Nadelhözern des Problems Herr werden könnte. Er entwickelt die Nürnberger Nadelwald-Saaten und gilt als Vater der Forstkultur. Aus der heutigen Sicht nicht wirklich spektakulär, neu und erst recht nicht skandalös, aber zu Lebzeiten dieses forstwissenschaftlichen Pioniers ein großer Aufschrei. Warum? Na ja da musste ich dann wieder weiter reisen: aber vorher noch ein kleiner Nebenpfad.

Stop 6a Exkurs Das Porträt von Peter Stromer

Es gibt ein annähernd zeitgenössisches Porträt von Peter Stromer. Oftmals sind Bildnisse von Menschen in diesen Jahrhunderten nur aus wesentlich späteren Publikationen bekannt.

Das erste Porträt des Mittelalters war laut meinen Infos das Bildnis von Johann dem Guten aus dem Jahr 1350, das offensichtlich Gesichtszüge des tatsächlichen Menschen aufweist, anstatt ein Idealporträt zu sein. Das Porträt von Peter Stromer wird von einigen Forschern ans Ende des 14. Jahrhunderts datiert, wieder andere nehmen Bezug auf die Hutmode und datieren es auf die Zeit um 1430. Egal, es ist auf jeden Fall eines der wenigen Porträts, die aus dieser Zeit erhalten geblieben ist und alleine deswegen schon beeindruckend. Und irgendwie eine krasse Familienbande.

Stop 6 Die Antiwelt des Teufels

Zurück zum Skandal um die Nadelbäume. Das mittelalterlichen Weltbild hat an verschiedenen Stellen Annahmen und Theorien, die man heute mit einem kleinen Kichern abtut, die aber damals schnell dazu führen konnten, dass man auf dem Scheiterhaufen gelandet wäre. In dieser extrem vom christlichen Glauben geprägten Welt, waren alle Bäume, also vor allem Nadelbäume, die keine nutzbaren Früchte trugen, Teil einer vom Teufel geschaffenen Gegenwelt, die einzig dazu da war, Gott zu lästern und seine Geschöpfe, die Menschen, zu verhöhnen. Für die Christen in dieser Zeit war das wirklich alltägliche Realität. Man nahm teilweise auch an, dass die Hölle und das Paradies tatsächliche Orte waren, die auf der ein oder anderen Karte zu finden sind. Also hat Peter Stromer die Bäume des Teufels angepflanzt, um sein Wirtschaftsunternehmen zu retten. Ähnlichkeiten zu heutigen Wirtschaftsstrategien sind rein zufällig.

Stop 7 Balthasar Bekker (1634-1698)

Dieser spannende Herr tauchte bei meinen Recherchen zur teuflischen Antiwelt irgendwann auf und hat mich wieder einmal mit Schrecken daran erinnert, wie lange es die Hexenverfolgungen und diesen ganzen Wahnsinn gegeben hat. Ich bin damit aufgewachsen: Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht. Damals haben viele Menschen wohl eher nach dem Motto gelebt, was ich nicht verstehe, bringe ich schnellst möglichst um. Bekker war jedenfalls einer der Hexentheoretiker, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Aufklärungsarbeit zu leisten, um gegen die Hexenverfolgung Argumente zu haben. Er gilt als einer der wichtigsten Gegner der Hexenverfolgung. Nur damals zählte die wissenschaftliche Meinung halt einfach nicht so viel wie heute… Okay, den Fehler merke ich gerade selbst, wo ja heute im Bezug auf diverse akute Themen, die wissenschaftliche Meinung auch nicht ernst genommen wird…

An dieser Stelle waren die Möglichkeiten zahlreich, sich weiter zu verlieren. Als mich dann die Uhr und das Ende des Films gemahnten, dass es mal wieder Zeit war sich mit was anderem zu beschäftigen, hatte ich knapp zwanzig neue Reiter im Browser auf und verschiedene Notizen gemacht und ein Dokument aus einem Kurs, den ich mal zum Thema Die Geschichte der Porträtmalerei gehalten hatte, offen und 3 Rechtschreibfehler darin korrigiert.

Und das alles nur, weil ich wissen wollte, ob der erste Spinosaurus in Ägypten gefunden wurde. Die Antwort falls ihr es in diesem wilden Gehüpfe überlesen haben solltet, lautet übrigens: ja. Ich erklimme dann mal das Siegerpodest der Disziplin „Vernetztes Wissenssurfen“ oder kannst du das toppen? 🙂