Vor einigen Tagen war ich beim Tag der Lehre der Leibniz Universität Hannover als Graphic Recorderin gebucht. Das ist immer einer meiner Lieblingsjobs, weil Inhalt und Menschen sehr spannend sind. Auch diesmal. Neben der Beobachtung, dass Interdisziplinarität – vor einigen Jahren an den meisten Hochschulen in Deutschland noch verpönt – inzwischen, auch dank der Exzellenzcluster ein wichtiges Thema geworden ist, ist mir noch etwas anderes aufgefallen.

Die Vizepräsidentin für Lehre und Studium, Julia Gillen erwähnte, dass der klassische Ablauf in Universitäten wie folgt ist:

INPUT – LEHREN/LERNEN – OUTPUT/PRÜFUNG

Das bedeutet: Es gibt einen Input, der wird gelehrt bzw. gelernt und dann kommt es zu einer Prüfungssituation, in der überprüft wird, ob das Wissen abrufbar ist. Und das wars. Was fehlt ist ganz klar der Schritt hin zu Anwendungs- bzw. Umsetzungskompetenz. Zu oft ist also am Ende des Studiums Wissen da, aber die Absolvierenden wissen nicht, wie sie das nun in ihrem konkreten Arbeitsalltag auch nutzbringend anwenden können. Da frag ich mich dann: ist das theoretisch vorhandene Wissen somit unnützes Wissen, weil es erst durch die Nutzung nützlich wird? Oder gibt es mehrere Arten unnützen Wissen? An dieser Stelle sei auf das 20. Kapitel der Känguru-Chroniken mit dem Titel „Robbie Williams“ verwiesen. Da bringen Marc-Uwe Kling und das Känguru unnützes nicht nützliches Wissen auf den Punkt. (Hab ich leider im Netz nicht gefunden, kann aber sowieso jedem nur den Erwerb des Hörbuchs ans Herz legen 🙂

Zurück zum Thema. Mit Anwendungsfertigkeiten will man natürlich dem viel beschrieenen Fachkräftemangel entgegenwirken. Ich bin ja der Meinung, dass viel von diesem Problem hausgemacht ist, denn würde man gute Gehälter zahlen und lebensfreundliche Arbeitsumgebungen schaffen, würden nicht mehr so viele gut qualifizierte Kräfte ins Ausland abwandern, wo eben die Rahmenbedingungen besser sind. Aber ich sehe auch ein, dass es durchaus ein Nachwuchsproblem gibt. Vor allem ein Defizit an jungen Menschen, die interessiert sind, lernfreudig und eine Idee haben, was sie können und machen wollen. Jetzt kann man sich natürlich die Frage stellen, woran das liegt oder ob es die Aufgabe einer Universität ist, Arbeitskräfte auszubilden oder ob das gar nicht mit dem Hort des Wissens und der Elite der Bildung konform ist, Arbeiter zu erschaffen. Aber darüber kann man an einem anderen Tag sprechen. Fakt ist, die Unis werden sich das zunehmend auf ihre Fahnen schreiben (müssen) und sich Lernwege überlegen, um das in die Tat umzusetzen. Die Rolle der Universitäten scheint sich damit in Deutschland in einem heftigen Changeprozess zu befinden.

Wie kann das nun gehen, auch dafür gibt es Ansätze und erste Experimente:

Eine Methode mit der handlungsfähigere Absolvierende geschaffen werden können ist challenged based learning. Das bedeutet nichts anderes, als dass man lernt indem man Probleme und Herausforderungen aus der tatsächlichen Welt löst. Das dockt an zwei Stellen sofort bei mir an. Erstens an meiner eigenen sehr gelangweilten und frustrierten Schullaufbahn, wo mehr als einmal die Frage aufkam, wofür ich denn diesen ganzen Mathemist lernen muss oder wann ich jemals wieder mein Wissen über Drosophila melanogaster gewinnbringend unters Volk bringen kann. Bislang war weder Integralrechnung oder Analysis noch meine Kenntnis des lateinischen Namens der Obstfliege irgendwann von Belang, aber ich hab ja hoffentlich noch genügend Zeit, damit irgendwann meine große Stunde schlägt 🙂

Und das zweite ist die Tatsache, dass in diversen Businessbüchern vorgeschlagen wird keine Ziele zu definieren um die Entwicklung eines Unternehmens vorwärts zu treiben, sondern Probleme. Denn Ziele zu erreichen ist nett, Probleme zu lösen hingegen ist ein dringlichere Notwendigkeit. Das macht für mich irgendwie Sinn. Challenged Based Learning macht also somit für mich auch Sinn und scheint ein vielversprechender Ansatz zu sein. Es bleibt für mich die Frage, ob das nicht auch schon in der Schule eine didaktische Meisterleistung wäre…aber wer bin ich, das Schulsystem zu kritisieren…

Abschließend noch die Aufklärung meiner Hollandliebe. Ich bin schon sehr lange ein großer Hollandfan. Ich hatte Holländisch als Schulfach, wir sind, als ich klein war regelmäßig zum Einkaufen nach Holland gefahren, mit dem Team jedes Jahr nach Arcen zu einem riesigen Outdoor-Volleyballturnier und ich hatte mal vor, meine Doktorarbeit über einen niederländischen Barockmaler zu schreiben. Ich hab mich immer sehr gefreut, wenn ich im Rahmen meiner EU-Arbeit nach Holland durfte und ich liebe Land, Leute, Pommes mit Erdnuss-Soße und Lakritze. Was ich inzwischen aber immer wieder beeindruckend finde, ist die Vorreiterstellung, die dieses kleine Land in vielen Bereichen hat. Das fing damit an, dass ich immer sehr neidisch war, wie gut Niederländer Englisch konnten, weil sie eben nicht jeden noch so kleinen Beitrag oder Film synchronisiert geliefert bekamen. Die Bewunderung ging weiter als ich über Siedlungsbau im Studium eine Seminararbeit geschrieben habe und da immer wieder coole Beispiele aus unserem Nachbarland erwähnt wurden und es wurde jüngst bestätigt, als Prof. Dr. Marcus Specht von der TU Delft erzählte, dass sie kurzerhand den aufgrund er Pandemie ausgestorbenen Campus in Minecraft nachgebaut haben, damit die Studierenden sich ein Bild machen können. Außerdem gab es einen Bereich, der offen war für die Gestaltungsideen und die Kreativität der Studierenden. Wurde eifrig genutzt. Man arbeitet dort in kleineren Lerngruppen und überhaupt wird der Austausch auch der interdisziplinäre schon lange gefördert. Das ganze aber immer einhergehend mit einer unaufgeregten Selbstverständlichkeit. Chapeau!

Okay jetzt hätte ich gerne ein Frikandel speciaal den ich am Meer sitzend verputzen würde. Een goed begin van de week wünsche ich Euch.