Neuroplastizität (genauer: Kortikale Plastizität) benennt die Eigenschaft unseres Gehirns, sich auf äußere und innere Ereignisse wie Lernen, Stress – aber auch Verletzungen anatomisch anzupassen.

So sind die Areale, die durch den Tastsinn aktiviert werden, auf der Hirnrinde von Blinden oder von Musizierenden vergrößert. Unsere Fähigkeiten und Erleben, aber auch zwanghafte Gedanken oder chronische Schmerzen bilden sich in der Struktur, Anordnung und Verknüpfung der Neuronen im Hirn ab.

Ganz aktuell bzw. andauernd ist unsere Erfahrung nach über einem Jahr Pandemie: Im März 2020 mussten wir alles digital denken, plötzlich nur ganz eingeschränkt Menschen und Orte sehen, und ganz neue Abläufe lernen… und einiges an neuen Synapsen ausbilden!

Und nun, 1 Jahr später? Das Energielevel vieler (einschließlich meiner) ist ziemlich am Boden, und es fällt immer schwerer, sich zu motivieren und auch zu fokussieren… ich wollte es erst nicht wahrhaben, aber …ist das Corona-Brain real?


Es macht total Sinn: Vieles, was laut Studien lang anhaltende kognitive Fitness bringen soll, war im letzten Jahr eingeschränkt:

  • körperliche Bewegung (kein Radfahren ins Büro mehr, stattdessen Schlurfen zum Kühlschrank), aber auch Sport generell
  • Austausch und Quality Time mit anderen Menschen, Kennenlernen neuer Leute
  • Neue Erfahrungen sammeln, Reisen, Dinge erleben

Zudem ggf. mehr Essensbestellungen, tröstende Schokolade und Alkohol…

„Was, wenn es etwas gäbe, was sofort einen direkten positiven Effekt auf meine Stimmung und Konzentration hätte… Was sogar langfristig mein Gehirn vor Erkrankungen wie Depression, Alzheimer oder Demenz, schützen könnte?“ Fragt Wendy Suzuki, Professorin der Neurowissenschaft zu Beginn ihres TED-Talks „The brain-changing benefits of exercise“ (die Hirn-verändernden Vorteile körperlicher Bewegung), der mich zu diesem Beitrag bewegte.

Laut der Wissenschaftlerin reichen schon 3-4 Mal 30 Minuten körperliche Aktivität in der Woche. Sofortige Wirkungen sind die Ausschüttung von Dopamin, Serotonin, Noradrenalin – ein gute-Laune Cocktail, der seinesgleichen sucht. Langfristig werden mehr Neuronen im Hippocampus gebildet, die das Langzeitgedächtnis verbessern und ganz generell vor degenerativen Erkrankungen, aber auch vor den ganz normalen Effekten des Alterns schützt. Der Wahnsinn!

Dies ist kein Plädoyer fürs Gewichtheben, sondern eine kleine Selbsthilfe für mein Corona-Brain (unter dem Einfluss desselben!). Tatsächlich muss es nicht unbedingt „Sport“ sein – ich habe bei meiner Recherche haufenweise Literatur darüber gefunden, dass Tanzen, Musik hören, Sprachen oder Instrumente spielen lernen, Menschen treffen (okay, und gesunde Ernährung – aber so lasst mir doch meine Eiscreme!) sich vorteilhaft auf unsere Gehirnleistung bis ins hohe Alter auswirken.

Zum Glück, so mein Gefühl, sind viele dieser Dinge nach und nach bald wieder möglich. Und bis wir alle geimpft sind, helfen digitale Formate: Menschen Treffen, neue Dinge lernen, vielleicht auch Musik hören und tanzen – das geht zum Beispiel beim Sketchnote Barcamp (nicht zufällig unter dem Motto „refill my fire“) oder beim diesjährigen WissVibes!

#coronabrain #neuroplastizität #solasstmirdochmeineeiscreme

Referenzen und weiterführende Links:
JC Basso et al., The Effects of Acute Exercise on Mood, Cognition, Neurophysiology, and Neurochemical Pathways: A Review; Brain Plast. 2017 Mar 28;2(2):127-152. doi: 10.3233/BPL-160040.

W Suzuki; How Body Affects Brain; Cell Metab. 2016 Aug 9;24(2):192-3. doi: 10.1016/j.cmet.2016.07.022.

C Philips; Lifestyle Modulators of Neuroplasticity: How Physical Activity, Mental Engagement, and Diet Promote Cognitive Health during Aging; Neural Plast. 2017;2017:3589271. doi: 10.1155/2017/3589271. Epub 2017 Jun 12.

JB King et al; Increased Functional Connectivity After Listening to Favored Music in Adults With Alzheimer Dementia; J Prev Alzheimers Dis. 2019;6(1):56-62. doi: 10.14283/jpad.2018.19.

L Teixeira-Machado Dance for neuroplasticity: A descriptive systematic review; Neurosci Biobehav Rev. 2019 Jan;96:232-240. doi: 10.1016/j.neubiorev.2018.12.010.

www.thieme.de/de/ergotherapie/neuroplastizitaet-gehirn-lernt-immer-114416.htm#:~:text=Neuroplastizit%C3%A4t%20ist%20die%20F%C3%A4higkeit%20des,)%20und%20neue%20Anforderungen%20(z.https://nautil.us/issue/91/the-amazing-brain/your-brain-makes-you-a-different-person-every-dayhttps://www.ted.com/talks/wendy_suzuki_the_brain_changing_benefits_of_exercise/transcripthttps://www.geo.de/magazine/geo-kompakt/710-rtkl-gehirntraining-was-denksport-wirklich-bringt
https://www.emotion.de/leben-arbeit/corona-brain
https://www.health.harvard.edu/blog/what-is-covid-19-brain-fog-and-how-can-you-clear-it-2021030822076
https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2021/apr/14/brain-fog-how-trauma-uncertainty-and-isolation-have-affected-our-minds-and-memory