Die Frage mutet etwas seltsam an, wo hast du das letzte Mal etwas gelernt? Lernen hat so viel und so wenig mit der Räumlichkeit zu tun. Und mit dem Bewusstsein, dass wir gerade lernen. Beim zweiten WissVibes Barcamp haben wir die Teilnehmenden unter anderem mit dieser Frage in Breakout-Sessions geschickt: Und dabei haben viele geantwortet “In der Schule…”

Lernen ist gedanklich fest mit der Institution Schule verknüpft. 

Bleiben wir bei den Institutionen, dann lernen wir in der Universität, Weiterbildungseinrichtungen und anderen Bildungsinstitutionen. Dort wo Lernprozesse organisiert und Lernziele definiert werden, wird Lernen als Formelles Lernen verstanden. Durch einen Nachweis, meist in Form eines Zertifikates oder einer Teilnahmebescheinigung, wird das Erlernte “nachgewiesen”. In Vereinen, Verbänden und Initiativen wird “nicht-formal” gelernt. Häufig gibt es keinen explizit geplanten Lernprozess oder ein Curriculum, das hinter den Inhalten steht. Und trotzdem werden in diesem Rahmen Tätigkeiten erlernt oder verbessert, im Sinne von dazulernen. Zum Beispiel beim Erlernen einer Selbstverteidigungstechnik. 

In Bewerbungsunterlagen machen sich diese mehr oder weniger formalen Formen den Lernens ganz gut. Irgendwie ist uns für diese Bereich auch noch bewusst, dass wir etwas lernen. Anders sieht es beim informellen Lernen aus. Da ist gar nicht so richtig klar, was, wann und wo gelernt wird. Irgendwie immer und überall. Und weil es so diffus ist, fällt es uns selbst nicht ein, wenn wir gefragt werden, wann oder wo wir das letzte Mal etwas gelernt haben. Unser Verständnis von Lernen ist oft mit durchstrukturierten Inhalten und Methoden von Institutionen, wie der Schule, verknüpft. Meist eher mit Müssen als Wollen verbunden. Dieses Lernen bedeutet meist die Auseinandersetzung mit Themen, die wir entweder “später mal brauchen” oder “halt zum Allgemeinwissen” gehören. Doch wir lernen im alltäglichen Leben. Dieses Lernen ist so alltäglich, dass es uns gar nicht bewusst ist. Daher können wir dieses Wissen und Kompetenzen häufig weder in Bewerbungsunterlagen noch bei provokativen Fragen in Breakout-Sessions so richtig beantworten.

Wir leben in einem Zeitalter, in dem es möglich wird sich ständig mit neue Informationen auseinanderzusetzen und diese in unserem bestehenden Wissen zu integrieren. Und wo begegnen uns diese? Im Internet, im Radio, im Fernsehen, wenn wir Bücher lesen. Jetzt nicken vielleicht manche erschrocken: Stimmt beim Lesen des populärwissenschaftlichen Buchs ist doch ein bisschen was hängen geblieben… Erwischt! Doch nicht das Letzte Mal etwas in der Schule gelernt! Durch “konsumierte” Informationen und die passive Entspannung vor dem Fernseher lernen wir manchmal etwas dazu. Auch im sozialen Kontakt lernen wir Neues: beim Austausch mit Arbeitskolleg:innen, die etwas ausgeschweifte Unterhaltung mit den Nachbarn eine Etage tiefer und beim sonntäglichen Kaffeetrinken mit der Familie. In unserem Alltag setzen wir uns immer wieder mit neuen Informationen auseinander und erweitern unsere Kompetenzen. Haben wir Interesse an einem Thema, setzen wir uns mit diesem auseinander, befragen das Internet, kaufen uns ein Buch oder eine Fachzeitschrift, schauen ein Video auf Youtube (neulich gemacht, als ich mich grob an etwas aus der fünften Klasse erinnerte, es aber nicht mehr erklären konnte… Erdöl entsteht nicht aus toten Dinos, sondern aus von Sedimenten überdeckten Plankon). Manchmal ist die Relevanz einer Information nicht so hoch und daher wird uns unser Lernen nicht bewusst. Oder wir setzen uns “nur fix” zur Lösung eines Problems mit etwas auseinander. Das Problem ist gelöst und die Lösungsstrategie, als Prozess des Lernens nicht reflektiert.

Im AES (Adult Education Survey) über das “Weiterbildungsverhalten in Deutschland” von 2018 wird neben den Formen der formellen Weiterbildung auch das informelle Lernen abgefragt. Dabei wird eine spannende Unterscheidung vorgenommen: Es werden nur jene Formen des informellen Lernens abgefragt, welche bewusst stattfanden. Die Intention zu lernen ist bei der Betrachtung von Lernen in nicht-formalen Kontexten ebenfalls von Bedeutung. Wie gesagt, manchmal lernen wir, ohne zu wissen, dass wir etwas lernen, da dies unsere Strategien zur Bewältigung des Alltags sind. Wenn uns diese nicht bewusst sind, können wir sie auch schlecht bei einer Befragung benennen. Irgendwie logisch. 

Folgende Kategorien werden im Rahmen des AES vorgegeben:

  • Lernen von Familienmitgliedern, Freunden oder Kollegen
  • Lesen von Büchern oder Fachzeitschriften
  • Nutzung von Lehrangeboten am Computer oder im Internet
  • Wissenssendungen im Fernsehen, Radio oder auf Video, CD, DVD
  • Führungen in Museen oder historischen Orten, Naturdenkmälern oder Industrieanlagen
  • Besuche von Büchereien oder offenen Lernzentren

Die Krux mit dem informellen Lernen ist Folgende: es ist schwer zu greifen. Das eigene Tun und Lernen muss reflektiert werden, um es bewusst benennen zu können. In den Bildungswissenschaften gibt es verschiedenste Theorien und didaktische Konzepte, die sich mit dieser sehr effektiven Form des Lernens seit den 1970er Jahren auseinandersetzen. Entsprechend groß ist die Vielfalt an Konzepten und Erklärungsversuchen. Einig sind sich Forscher:innen und Theoretiker:innen, doch dass sobald ein pädagogischer “Eingriff” in das informelle Lernen erfolgt, es kein informelles Lernen mehr gibt. Da dieses frei von Didaktisierung, Steuerung und definierten Lernzielen stattfindet. Der Versuch ein System in unsystematisches Lernen zu bringen macht dieses hinfällig.

Bald ist Dezember und der Countdown bis Weihnachten beginnt. Wir, vom WissVibes-Team, haben uns was überlegt: auf unserem Instagram-Account wird es dieses Jahr einen Lernimpuls-Adventskalender geben! 

Wir wollen Euch euer Wissen, Lernen und Können sowie die Orte an denen Wissensaneignung stattfindet gerne aufzeigen, denn Wissen ist nicht nur sexy, sondern Lernen findet immer statt. Daher posten wir vom ersten bis 24ten Dezember jeden Tag einen Lernimpuls.

Disclaimer:

Für das Schreiben des Artikels habe ich mich durch das Internet geklickt. Folgende drei Artikel habe ich nicht direkt zitiert, sie gaben mir jedoch entscheidende Impulse:

Informelles Lernen : Neue Lernformen : Themen :: erwachsenenbildung.at

Using informal education – Chapter 1: using informal education – infed.org:

Latentes, implizites, inzidentelles oder informelles Lernen (stangl-taller.at)