Auf dem Sofa, das Handy in der Hand von Bildern und Geschichten berieseln lassen. Ein bisschen Kopf aus, aber halt mit Handy in der Hand, sieht irgendwie produktiver aus. Dieser Tage erwische ich mich häufig beim “doomscrolling”. Doomscrolling ist der Konsum von negativen Nachrichten. Und dazwischen habe ich ein bisschen was gelernt. 

Kathe schrieb in ihrem Artikel “Dauerbeschallung und der Affenzirkus in meinem Kopf” über ihre Aha-Momente als sie einen Podcast hörte und das gefiel mir so gut, dass ich Euch jetzt erzähle, was ich bei Social Media (genauer gesagt Instagram) gelernt habe, während ich mich so durch tausend Ausschnitte und Einblicke in hunderte Leben hangelte.

Sport mache ich für mich, nur für mich!

Eine Freundin (Maria, darf ich dich Freundin nennen, auch wenn wir uns erst diesen Sommer persönlich kennen lernen?), im Minimum eine Instagram-Bekanntschaft mit einem privaten Profil schreibt nicht nur unglaublich ehrlich über ihr zwiegespaltenes Verhältnis zur Plattform, sondern nimmt mich und andere mit auf ihre Wanderungen durch den Lake und Peak District. Liebe ich sehr! Bei einem Schreibtischjob hält Wandern alleine den Rücken nicht fit. Also macht sie Workouts, radelt auf einem Ergometer, isst gedämpftes Gemüse und geht seit Neuestem joggen. Und das alles ohne die neueste vegane Fitness-Hose, Nahrungsergänzungsmittel und Fitnesswahn. Sondern ganz menschlich, kritisch und offen. Sie macht den Sport nicht, um schlanker zu werden oder irgendwelchen Normen zu entsprechen, sondern um fit zu sein für die nächste Solo-Wanderung. Und ich lieb´s wirklich dolle und mache mit – noch ein Laufschuhfoto und ich gehe auch joggen!

Keine Diskussionen, mach es in den ersten fünf Sekunden – oder lass es!

Screenshot von Dr. Ulrike Bossmanns Post über die 5-Sekunden-Regel

Screenshot von Dr. Ulrike Bossmanns Post über die 5-Sekunden-Regel

Auf dem Profil von Dr. Ulrike Bossmann blieb ich an einem Post hängen “Die 5 Sekunden Regel”. Kurz zusammengefasst: mach es innerhalb von 5 Sekunden, sonst verheddert du dich in Diskussionen mit dir selbst! Und das habe ich gefühlt… Bei einigen Aufgabe, die ich die letzten Wochen so vor mir hertrug und bei denen ich mich erwischte, dass ich Kopf anfing Für und Wider zu drehen, hielt ich inne und dachte “Diese Diskussion kostet mich doch jetzt sehr viel mehr Kraft, als es direkt zu machen!” Also tat ich die Dinge, ohne anhaltenden inneren Monolog. 

Es ist ein Privileg, nicht hinzusehen.

Screenshot aus der Story von @dariadaria

Screenshot aus der Story von @dariadaria über die Reichweite von aktivistischen Beiträgen

Jetzt kommt der politische und anstrengende Teil. Und wir landen beim Doom Scrolling. Doch wir haben es sicher und warm, anders als die Menschen in der Ukraine, Syrien, Kurdistan und der Türkei. Unter anderem Helen Fares und Madeleine Darya Alizadeh machen aktuell auf die Erdbeben-Katastrophe aufmerksam. Dafür nutzen sie ihre Reichweite und werden vom Algorithmus massiv eingeschränkt. Darüber schrieb Madeleine Darya Alizadeh in ihrer Story und rief dazu auf, mit aktivistischen Content zu interagieren, für die Reichweite so bedeutender Themen. Und mir wurde klar: bei all dem Doom Scrolling ist Instagram doch eine hübsche kleine Glitzerwelt, in der wir häufig alles Übel aussperren wollen. Ich persönlich schau mir gerne Blumen-, Kuchen- und Keramik-Content an. Zwischendrin werden niedliche Katzen-Videos hin und her geschickt. Ein bisschen was für die Seele und zur Selbstoptimierung ist dann auch noch dabei. Alles gut kuratierte Einblicke in vielleicht nicht so glitzernde Leben, aber die Momente sehe ich ja nicht. Alles perfekt. Und dort bleiben zu wollen, das ist ein ziemliches Privileg. Politisches Versagen und das Leid, so vieler Menschen bewusst nicht wahrnehmen zu wollen, hat viel damit zu tun, sich genau dafür zu entscheiden. 

“Priviledge is characteristically invisible to people who have it. White people often believe that they have earned the privileges they enjoy or that everyone could have access to those priviledges if they just worked hard enough. “ Shereen Daniels

 

Das Foto des Beitragsbildes ist von Ivana Cajina