Viren sind fies, aber sie sind auch verdammt faszinierend. In den letzten zwei Jahren haben wir alle mehr über Viren gelernt, als uns lieb ist… aber meine Liebe für Viren ist ungebrochen. Heute teile ich warum und empfehle mein liebstes Modellierungs-Game!

Ich erinnere mich noch an Anfang 2019, als ich mich auf einer Veranstaltung mit anderen Selbstständigen und UnternehmerInnen wiederfand, die ich alle garnicht oder maximal flüchtig kannte und der Smalltalk kam (wie seitdem eigentlich immer) auf dieses neue Virus. Ich hatte davon nur am Rande gehört und meine Augen leuchteten als ich sagte: WOW das ist wie in meinem Lieblings-Handyspiel! Da spielt man einen Virus mit dem Ziel die gesamte Weltbevölkerung anzustecken! …Ich blickte in (verständlicherweise) leere Gesichter und das Thema war schnell gewechselt (ich bin da nie wieder hingegangen)… zum Glück telefonierte ich später mit meinem Biologenfreund Moritz. Moritz versteht, dass ich kein Apokalypse-Fan oder Verharmloser des Weltgeschehens bin. Moritz versteht, warum Viren geil sind (und auch, dass Smalltalk ganz schön schiefgehen kann).

Viren sind voll unverstanden. Viren wollen* nicht, dass ihr Wirt stirbt. Viren wollen eigentlich nur eins: Sich vermehren und verbreiten, mehr nicht! Und da sie ausschließlich aus einem genetischen Code mit Hülle bestehen und keinen eigenen Stoffwechsel haben, brauchen sie uns Wirte: Sie brauchen unsere Enzyme und Bausteine, um neue Viren zu bauen, und sie brauchen uns als Überträger auf andere Wirte. Gut an uns Menschen angepasste Viren sind zum Beispiel Herpesviren, Varizella Zoster (löst Windpocken und Gürtelrose aus) und Epstein Barr – die unbemerkt in den meisten (>90% der) Menschen schlummern und sporadisch aufwachen, um sich von Mensch zu Mensch zu verbreiten.

Ich glaube, warum mich Viren so faszinieren, ist dass sie einfach immer und überall sind. Sich selbst replizierende Nukleinsäuren sind der Ursprung allen Lebens, große Teile unserer DNA stammen von Viren und Viren treiben die Evolution und Entwicklung verschiedenster Lebensformen schon immer voran.

Ich möchte hier garnicht zu sehr in die Virenbiologie einsteigen, denn bevor ich euch verliere will ich noch Plague Inc. empfehlen! Bei dem Handyspiel, dass ich eingangs erwähnte, spielt man einen Virus (oder Bakterium, Prion, Parasit, Pilz oder anderen Vektor) und gewinnt, wenn die gesamte Menschheit angesteckt ist. Hier kommt auch die oft unverstandene Virustaktik zum Einsatz: Mache die Menschen nicht zu krank, denn sie sollen möglichst viele Kontakte zur unbemerkten Verbreitung haben, aber lass sie auch husten, niesen oder die Viren anders weitergeben, sonst hat das Immunsystem deines Wirtes dich ausgelöscht bevor du weiterspringen kannst!

Das Spiel ist nicht nur biologisch-virologisch ausgefeilt, sondern bezieht auch Geografie und Welt- und Länderpolitik mit ein – nicht umsonst wurde der Spiele-Entwickler schon 2013 von den Centers of Disease Control der USA (CDC) eingeladen.

Es beginnt damit, dass man ein Land für den Patient Zero sowie gewisse Grundeigenschaften des Virus auswählt. Dann geht es los, und je nach Infrastruktur und Lage des Ursprungsortes und Viruseigenschaften gelangt das Virus über infizierte Reisende, Luft, Wasser oder übertragende Tiere in weitere Länder, bevor es sich – wenn kein Heilmittel entwickelt wird oder Lockdowns, Gegenmaßnahmen oder auch eigene Mutationen die Verbreitung vereiteln – über den gesamten Globus verteilt: Ein Wettrüsten von Medizin und Virus! Den ganzen Spielverlauf über kann man aktuelle Statistiken und Nachrichtensnippets über die Reaktionen der Politik und Heilverfahren einsehen, um den Menschen voraus zu sein. Als ich das Spiel 2013 das erste mal spielte, war ich fasziniert, wie spannend und mitreißend es ist, wenn gut recherchierte biologische Modellierungen und realistisch dargestellte politische Gegebenheiten zusammenkommen. Man braucht keine biologische oder weltpolitische Vorkenntnisse, aber wenn man sie hat freut man sich umso mehr, und man kann beim Spielen etwas (oder auch viel!) dazulernen. 2020 gab es dann die Erweiterung namens „Plague Inc – The Cure“, in der die Perspektive umgedreht ist und man gegen den Virus arbeitet und ein Heilmittel zur Rettung der Menschheit entwickelt.

* Natürlich handeln Viren als Ansammlung von einigen Nukleinsäuren und Proteinen nicht mit eigenem Willen in Form von einer persönlichen Agenda, aber sie arbeiten scheinbar zielgerichtet, wie Evolution nunmal ist: Die zufällig entstandenen Systeme, die im Wettbewerb um Ressourcen bestehen und sich vermehren können verdrängen die anderen.