Erinnert ihr Euch noch an den tollen Artikel, den Kathe neulich geschrieben hat? Darin hat sie die Frage aufgeworfen, wer eigentlich entscheidet, was Allgemeinbildung oder Allgemeinwissen ist. Durch diese Überlegung kam sie zu dem entscheidenden Punkt, dass viele Bereiche der Allgemeinbildung in der Schule vermittelt werden.
Bei Instagram haben wir dann die Frage gestellt, was die Follower:innen in der Schule gerne gelernt hätten, es aber in keinem Schulfach vorkam. Steuererklärung machen, Kochen und achtsam mit sich selbst und anderen sein waren Antworten. Dabei kam mir ein Teil der Antwort, wer eigentlich bestimmt was Allgemeinbildung ist, in den Sinn: wir.
Zugegeben, es ist nur ein sehr kleiner und bruchstückhafter Teil der Antwort. Doch das, was wir in der Schule lernen, liegt nicht nur am Lehrplan und den Lehrkräften, es liegt auch an uns. Dabei geht es vor allem ums Anschlusslernen und die persönliche Relevanz.
Anschlusslernen beschreibt das didaktische Konzept, dass neues Wissen an bereits bestehendes anknüpft. Wissen wird eher erweitert, als komplett neu angeeignet. Hinzu kommt, dass neue Inhalte und Informationen eine gewisse Relevanz aufweisen müssen. An dieser Stelle eine kleine Prise anekdotische Evidenz: in der Schule hat es sich mir überhaupt nicht erschlossen, warum ich komplexere mathematische Konstrukte auswendig lernen oder gar die Logik dahinter verstehen sollte. Grundrechenarten okay und beim Einmaleins hat es etwas gedauert, doch ich habe mich überzeugen lassen. 5+5+5+5+5 konnte ich ja ausrechnen, dass es schneller geht, wenn ich weiß was 5 mal 5 ist, habe ich jedoch eingesehen… Bei Stochastik war ich dann aber wirklich raus. Und auf meine Frage, warum ich das lernen soll, habe ich auch keine befriedigende Antwort bekommen: “Vielleicht brauchst du das später mal im Leben und dann bist du froh, dass du es gelernt hast!” Das war keine Antwort, mit der ich leben konnte. Und mit meiner Antwort, dass meine Mathelehrerin mal die Wahrscheinlichkeit dafür berechnen soll, dass ich als Fünfer-Kandidatin in meinem Leben Stochastik oder Mathe im Allgemeinen brauche, konnte meine Lehrerin dann nicht so gut leben…
“Erwachsenengerechtes Lehren kann daher Bildungsinhalte nicht einfach in Vortragsform vermitteln, sondern einen Rahmen schaffen, in dem sich Lernende aktiv mit diesen Inhalten und deren Bedeutung für sie auseinandersetzen können. Je eigene Erlebnisse, Gedanken und Deutungen zu den „neuen“ Inhalten können dadurch aktiv im Lehr-Lern-Prozess eingebracht werden.” Prinzipien des Lehrens und Lernens
Unser Lernen wird auch dadurch beeinflusst, was wir bereits gelernt haben und was wir mit neuen Informationen anfangen können. Anfangen können im wahrsten Sinne des Wortes, die berechtigte Frage lautet: Was bringt es mir das zu wissen? Wozu muss ich das jetzt wissen?
Und da können wir selbst ansetzen, mit eben diesen Fragen: warum kann das für mich relevant sein? Zugegeben so schnell fällt uns bei manchen Dingen keine Antwort ein, doch den Diskurs sollten wir führen. Mit uns selbst oder mit anderen. Vielleicht kommt mehr als “irgendwann wirst du es schon brauchen”. Wir können uns bewusst mit unserem Lernen beschäftigen, selbstverantwortlich reflektieren, was uns relevant erscheint und was nicht. Ein Bewusstsein über unser Wissen, dessen Relevanz oder Umfang gibt auch eine Antwort darauf, was Allgemeinwissen sein sollte und was vielleicht weniger. Und manchmal fällt uns ein Bezugspunkt ein, warum Stochastik doch relevant sein könnte.
Ich hätte ein grundlegendes Verständnis von Stochastik in meinem Studium echt gebrauchen können, qualitative Methoden der Sozialwissenschaften waren nämlich plötzlich sehr groß in meinem Leben. Hätten meine Lehrerin oder ich diese Antwort nur mal früher gekannt.
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