Harald Lesch sagte, dass Information allein nicht Wissen ist. Es gibt viel Information, die darauf wartet, zu Wissen zu werden. Was aber ist Wissen?

Eine Umfrage in Deutschland von 2002 kam zu dem Ergebnis, dass Günther Jauch der intelligenteste Deutsche sei. Ich halte Günther Jauch für keinen dummen Menschen, aber laut eigener Aussage hält er sich selbst nicht einmal für das intelligenteste Familienmitglied. Herr Jauch ist in den Medien sehr präsent und äußerst beliebt, das ist sicher ein Grund, wie es zu der Einschätzung kam. Das Ergebnis der Umfrage ist jedoch noch aus mindestens zwei weiteren Gründen interessant.

Die Gründe sind spekulativer Natur und meine Interpretation der Umfrageergebnisse. Eine Interpretation wie es zu diesem Urteil kam, ist dass viele Menschen wohl annehmen, dass der durch die mittlerweile langjährige Ausstrahlung der Sendung "Wer wird Millionär" die Mutmaßung entstand, der Moderator denkt sich entweder die vielen Fragen selber aus oder hat sich zumindest alle Antworten gemerkt.

Daraus gibt sich der weitere Schluss, dass die allermeisten Befragten mehr oder weniger bewusst annehmen, dass Information oder Faktenwissen gleichbedeutend mit Intelligenz ist.

Über das Thema "Wissen" gibt es viel Information, viele wissenschaftliche Disziplinen setzen sich damit auseinander. Wie wird Wissen definiert, welche Formen von Wissen gibt es, wie wird Wissen vermittelt und wie eignet man es sich an und viele andere Aspekte mehr. Ich möchte mich hier auf eine einfachere Darstellung aus dem Organisationstheoretischen Ansatz beschränken.

Die Grundlage allen Wissens sind (Roh-)daten. Werden diese strukturiert, entsteht Information. Wissen ist dann das Ergebnis aus organisierter Information. Im Lexikon der Neurowissenschaften steht,

Damit aus Information Wissen wird, muss der Mensch auswählen, vergleichen, bewerten, Konsequenzen ziehen, verknüpfen, aushandeln und sich mit anderen austauschen.

Viel zu wissen ist natürlich hilfreich und sehr praktisch. Das alleinige Vorhandensein von Wissen ist jedoch noch kein Anzeichen für Intelligenz. Über Intelligenz gibt es mindestens genauso viel Material wie über Wissen. Aber hier zumindest eine kurze Definition:

Intelligenz
… ist die kognitive bzw. geistige Leistungsfähigkeit speziell im Problemlösen.

Intelligenz ist sozusagen noch eine Stufe über dem Wissen. Dabei kommt Intelligenz sogar auch ohne explizites Wissen aus: Wenn zum Beispiel ein Kandidat bei Wer wird Millionär eine Frage nicht weiß und sich nicht gerade eines Jokers bedient oder andere Hilfestellung besorgt, kann er teilweise über das Ausschlussverfahren oder über Herleitung eine Aufgabe dennoch erfolgreich lösen.

Das Thema Künstliche Intelligenz erlebt zur Zeit einen Medienhype. Sicher kann man hier schon einige beachtenswerte Erfolge vorweisen. In den allermeisten Fällen ist der Begriff "Intelligenz" allerdings noch etwas beschönigend. Denn momentan müssen die KIs mit Unmengen an Daten gefüttert und trainiert werden.

Alle Wissensaufgaben die algorithmisch gelöst werden können, werden jetzt schon souverän maschinell gelöst. So erlebt z.B. das Berufsbild eines Anwalts möglicherweise bald eine Disruption. Ein Computer kann einfach viel mehr wissen und das Wissen schneller abrufen als es der beste Anwalt je könnte. Holm Friebe sagte deswegen schon vor Jahren auf der re:publica, Wissen ist over.

Es ist verständlich, dass der Ausblick auf diese Zukunft nicht von allen nur bejubelt wird. Viele Fragen, Möglichkeiten und gesellschaftliche Aspekte sind noch nicht geklärt.

Möglicherweise beruhigend: Bei Intelligenz und Kreativität ist die Menschheit fürs Erste der KI noch überlegen.

Dieser Artikel soll jedoch kein Abgesang auf das Wissen sein. Wissen als Teil einer humanistischen Bildung ist und bleibt ein wichtiges Werkzeug für schöpferische Intelligenz und Kreativität.